Wahlauftakt zur Wohnpolitik

Auf dem 69. Deutschen Mietertag müssen auch Parteienvertreter Flagge zeigen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein bundesweiter Mietenstopp und eine Offensive für den Erhalt und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums stehen im Mittelpunkt des 69. Deutschen Mietertags am Donnerstag und Freitag. Für den Deutschen Mieterbund (DMB) ist die Veranstaltung auch der Startschuss für den Bundestagswahlkampf, in dem die Dachorganisation von 15 Landesverbänden und über 300 örtlichen Mietervereinen mit mehr als 500 Beratungsstellen und 1,25 Millionen Mitgliedshaushalten massiv Präsenz zeigen will. Am Dienstag stellten DMB-Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz und DMB-Präsident Lukas Siebenkotten die Schwerpunkte des Mietertags und der künftigen Kampagnen auf einer Pressekonferenz vor.

Auf dem Mietertag, der erstmalig nur als Online-Veranstaltung durchgeführt wird, können auch Vertreter der Bundestagsparteien (außer der AfD) ihre wohnungspolitischen Ziele darlegen, darunter Bundesfinanzminister und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Die Linke wird von deren wohnungspolitischer Sprecherin Caren Lay vertreten, die FDP von Daniel Föst. Neben dem Schaulaufen der Politprominenz geht es auf dem Mietertag, der auch als höchstes beschlussfassendes Gremium des Verbandes fungiert, vor allem um die Forderungen der Mieterbewegung.

Siebenkotten zeichnete ein dramatisches Bild der Lage auf dem Wohnungsmarkt, die sich durch die Pandemie und die damit verbundenen Einkommensverluste für viele Haushalte noch zugespitzt habe. Im Durchschnitt stiegen die Mieten im vergangenen Jahr um drei Prozent. Längst seien von der Verteuerung nicht nur Metropolen betroffen, sondern auch Klein- und Mittelstädte. Nahezu die Hälfte aller Mieter habe Angst, die verlangten Mieten irgendwann nicht mehr zahlen zu können. Insgesamt fehlen laut DMB-Berechnungen zwei Millionen Wohnungen. Besonders der Schwund an Sozialwohnungen, die nach Ablauf des Förderzeitraums aus der Preis- und Belegungsbindung fallen, hält an. Im Jahr 2000 gab es noch 2,6 Millionen Sozialwohnungen, 2020 nur noch 1,14 Millionen.

»Wir brauchen einen grundlegenden Wandel in der Wohnungspolitik«, forderte Siebenkotten. Der Anteil gemeinnützig oder gemeinwohlorientiert bewirtschafteter Wohnungen am Gesamtbestand müsse deutlich erhöht werden, auf mindestens 30 Prozent. Und das nicht nur durch Neubau, sondern auch durch den Ankauf von Belegungsrechten im Bestand. Dafür müssten Bund und Länder erhebliche Mittel mobilisieren, denn die soziale Wohnungskrise könne nicht durch private Investoren gelöst werden. Der DMB fordert ferner, dass Kommunen Bauland nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbbaurecht vergeben, sowie ein gesetzliches Vorkaufsrecht für Grundstücke zum Ertragswert. Für die aus Klimaschutzgründen notwendigen energetischen Modernisierungen müsse gelten, »dass die sanierten Wohnungen auch für Menschen mit niedrigem Einkommen bezahlbar bleiben«.

Auch bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sieht Siebenkotten dringenden Handlungsbedarf. Die Neuregelung, dass Umwandlungen in Gebieten mit angespannter Wohnungslage künftig genehmigungspflichtig sein sollen, sei ein Schritt in die richtige Richtung, enthalte aber einige »Pferdefüße«. So mache es keinen Sinn, dass sogenannte Kleinvermieter mit bis zu 15 Wohnungen, davon ausgenommen sind. »Diese Lücke muss geschlossen werden«, forderte der DMB-Präsident.

Bundesdirektorin Weber-Moritz verlangt von der künftigen Bundesregierung vor allem schnelle Schritte für einen auf sechs Jahre befristeten Mietenstopp. An einem entsprechenden Bündnis beteiligen sich derzeit über 140 Verbände und Organisationen. Für den 11. September ist eine bundesweite Großdemonstration in Berlin geplant.

Anhand der derzeit vorliegenden Programme und Programmentwürfe der Parteien sieht der DMB Anknüpfungspunkte bei SPD, Grünen und Linken, die aber wohl kaum eine gemeinsame Bundesregierung stellen werden. Man hoffe daher, so Siebenkotten, dass auch die anderen Parteien - dann möglicherweise in Regierungsverantwortung - den Argumenten der Mieterbewegung zugänglich sind.

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