Hierarchie beim kostbaren Nass

Umweltministerium stellt Programm für besseren Umgang mit Wasser vor. Die bisherige Nutzung wird durch Klimawandel hinfällig

  • Verena Kern
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland ist eigentlich ein wasserreiches Land. Doch drei Dürrejahre in Folge mit ausgetrockneten Wäldern und Äckern, mit Waldbränden, Niedrigwasser in Flüssen und Seen sowie akutem Wassermangel in einigen Regionen haben Politik und Gesellschaft aufgeschreckt. Im vergangenen Sommer äußerten mehr als drei Viertel der Bürger*innen große oder sehr große Sorgen wegen der anhaltenden Trockenheit.

Mit fortschreitendem Klimawandel wird sich das Problem weiter verschärfen. Wasser wird zum knappen Gut. Auch die bisherige Nutzungspraxis, die darauf abzielte, Wasser schnell abfließen zu lassen, statt es in der Landschaft zu halten, trägt dazu bei. Heute, sagen Fachleute, muss es darum gehen, Wasser länger und kaskadenartig zu nutzen.

Mit einer »Nationalen Wasserstrategie« will Bundesumweltministerin Svenja Schulze nun erstmals »das Lebensmittel schlechthin« besser schützen. Am Dienstag stellte die SPD-Politikerin ihre Pläne vor, denen ein zweijähriger Dialogprozess mit Ländern und Kommunen, mit Wasserwirtschaft und Bürger*innen vorausgegangen war. Mit den Kommunen will das Umweltministerium Konzepte erarbeiten, wie Flächen entsiegelt und Gewässer renaturiert werden können, damit Landschaften und Böden als natürliche Rückhalteräume bei Hochwasser und als Speicher für niederschlagsarme Phasen fungieren können. Wasser- und Abwasserleitungen, die in Deutschland zusammengenommen über eine Million Kilometer lang sind, sollen modernisiert und an die Klimawandelfolgen angepasst werden. Drei Milliarden Euro pro Jahr sind laut Schulze allein für den Um- und Ausbau der Infrastruktur nötig.

In Agrar- und Forstwirtschaft soll künftig das Leitbild einer gewässerschonenden Landnutzung gelten. Städte sollen »wassersensibel« werden und beispielsweise Regenwasser besser nutzen, statt es einfach nur abzuleiten, was die Leitungsnetze bei Starkregen immer wieder überfordert. Bei Knappheit, zu der es in Zukunft regional häufiger kommen dürfte, soll es künftig Regeln geben, wer wann und wo Vorrang hat - eine »Wassernutzungshierarchie«. Der persönliche Trinkwasserbedarf müsse Priorität haben, sagte Schulze. Die Kriterien will sie gemeinsam mit den Bundesländern und allen wichtigen Wassernutzern erarbeiten, um keinesfalls »von oben herab« Vorschriften zu machen.

Dennoch gab es in diesem Punkt bereits Kritik, bevor die Wasserstrategie vorgestellt wurde. »Die Wasserversorgung ist auf Ebene der Kommunen sehr gut aufgehoben«, ließ der Stadtwerkeverband VKU wissen. »Einheitliche Vorgaben aus Berlin sind dazu nicht nötig.« Dass Wasser endlich wieder zum Thema wird, sei gut. Doch: »Wir sollten bei unseren bewährten Grundsätzen bleiben.«

Auch die Verschmutzung der Gewässer will die Ministerin systematisch verringern. Dies fordert aber bereits die Wasserrahmenrichtlinie der EU, nach der spätestens 2027 alle Gewässer in einem guten ökologischen Zustand sein müssen. Das ist in Deutschland längst nicht der Fall. Zudem ist ein Drittel des Grundwassers hierzulande mit Nitraten und Pflanzenschutzmitteln aus der Intensivlandwirtschaft belastet.

Um die Widerstandsfähigkeit gegen die Klimakrise zu erhöhen und die Verschmutzung der Gewässer zu reduzieren, plant Schulze zudem ein Aktionsprogramm mit insgesamt 57 Maßnahmen. Dafür sollen in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen Euro pro Jahr ausgegeben werden. Damit sollen etwa auch Abwässer künftig besser überwacht werden, um beispielsweise die Belastung mit multiresistenten Keimen zu ermitteln und Trendaussagen zur Entwicklung von Pandemien zu bekommen.

Umweltverbände begrüßen die Strategie, üben aber auch Kritik. Ohne einen Kurswechsel in der Agrarpolitik sei ein besserer Schutz der Ressource Wasser nicht zu erreichen, hieß es etwa von der Deutschen Umwelthilfe.

Allerdings: Die Wasserstrategie ist bislang weder im Kabinett noch mit den Bundesländern abgestimmt. Ob bis zur Bundestagswahl im September noch etwas passiert, steht dahin. Und was die nächste Bundesregierung mit dem Entwurf machen wird, ebenso.

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