Gleich, ungleich, links, rechts

Der Berliner Verfassungsschutz glänzte diese Woche mit Sachkenntnis. So sei der Frauenanteil unter den Linksextremisten der Hauptstadt mit 35 Prozent signifikant höher als in den anderen Bereichen des Extremismus, also unter Rechtsextremisten (20 Prozent) und Salafisten (10 Prozent). Und das sei kein Zufall, sagte der VS-Chef des Landes, Michael Fischer. Denn Gleichheit und die Gleichheit der Geschlechter seien klassische Themen der Linken.

Als »mit Abstand größte linksextremistische Organisation der Stadt« bezeichnete Fischer, wie in »nd.DerTag« zu lesen war, die Rote Hilfe. Die stellt zwar den Sicherheitsbehörden ihre Mitgliederliste nicht zur Verfügung. Dennoch weiß man dort, dass keineswegs alle Mitglieder als verfassungsfeindlich einzuschätzen seien, wohl aber der ganze Verein, der von einer systematischen Unterdrückung linken Protests ausgehe.

Ob und wann etwas als systematisch bezeichnet werden kann, ist eine schwierige und bei vielen Themen nicht zuletzt juristisch entscheidende Frage. Sie kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

Wer aufmerksam Nachrichten liest, dürfte jedoch nicht erst in den letzten Monaten einige Muster festgestellt haben. Zum Beispiel, dass staatliche Sicherheitskräfte nicht durch linksextremistische Umtriebe (der Einfachheit halber bleiben wir bei diesem Vokabular) auffällig werden. Man könnte vielmehr die Regel aufstellen: Wenn jemand aus diesen Kreisen auffällt, dann weil er rechtsextrem ist, also vermutlich weder die Gleichheit der Geschlechter noch die der Menschen an sich sein Thema ist.

Weiterhin könnte man feststellen: Sobald die Vermutung im Raum steht, dass hinter solchen Auffälligkeiten ein System stecken könnte, wird geradezu reflexhaft von Einzelfällen gesprochen. Wird dennoch genauer hingeschaut, werden aus den Einzelfällen häufig viele Einzelfälle. Und mitunter gibt es so viele Einzelfälle, dass ganze Gruppen der Sicherheitskräfte systematisch untersucht werden müssen. So geschehen, um nur ein Beispiel zu nennen, in dieser Woche der Berliner Erkenntnisse, beim Spezialeinsatzkommando (SEK) des Polizeipräsidiums von Frankfurt am Main, das wegen zu vieler Einzelfälle von rechtsextremen Chats sogar aufgelöst werden musste.

Werden von den Verfassungsschützern dagegen Personen überwacht, die der Verfassungsfeindlichkeit gänzlich unverdächtig sind, so handelt es sich um solche, die links sind, als links gelten und/oder sich bei Protesten gegen rechtsextremistische Umtriebe engagiert haben. So geschehen beim sächsischen Verfassungsschutz, wo die Zahl der Einzelfälle nach Schätzungen von Betroffenen in die Hunderte gehen könnte.

Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen. Aber wir bleiben dran: an den Einzelfällen bei den staatlichen Sicherheitskräften wie an den klassischen Themen der Linken. Systematisch. Regina Stötzel

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