Klagenfurt klaglos

Den Ingeborg-Bachmann-Preis überreicht der Jörg-Haider-Preisträger

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag gehen die 45. »Tage der deutschsprachigen Literatur« zu Ende. Auch bekannt als Bachmann-Wettbewerb, der traditionell im Süden Österreichs, in Klagenfurt am Wörthersee ausgetragen wird und zum zweiten Mal in seiner Geschichte digital.

Allein die Jury trifft sich im ORF-Studio, so auch am Sonntag, um nach öffentlicher Diskussion abzustimmen und die Gewinner der Preise zu verkünden, die dann traditionell von den Stiftern übergegeben werden - beim Sieger des »Bewerbs« wird das der neue Klagenfurter Bürgermeister sein, namentlich Christian Scheider.

Will heißen: der mit 25 000 Euro dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis wird in diesem Jahr überreicht von Jörg Haiders ehemaligem Tennislehrer. Zur Erinnerung: Vor über zwanzig Jahren haben die Erben Ingeborg Bachmanns dem damals von Haiders FPÖ regierten Land Kärnten verboten, den Literaturwettbewerb weiterhin nach Ingeborg Bachmann zu benennen. Seither spricht der ORF in seiner Wortwahl stets von den »Tagen der deutschsprachigen Literatur«, lediglich der Hauptpreis ist nach der Dichterin benannt.

Bürgermeister Scheider wurde im März gewählt. Irgendeine abgeschlossene Berufsausbildung seinerseits ist nicht bekannt, nur dass er bei den Freiheitlichen viele Jahre Jörg Haiders persönlicher Referent war. Aber das ist lange her. In einem Clip auf Youtube wird Christian Scheider nach der Ursache des Zweiten Weltkriegs gefragt. Der damalige FPÖ-Landtagsabgeordneter druckst herum, sagt, auch heute sei nichts sicher, »alles kann passieren«. Und passiert ist dann auch einiges: In einer kalten Oktobernacht anno 2008 kam der Landeshauptmann vom rechten Weg ab, mit 1,8 Promille und 142 Kilometern pro Stunde in einer Linkskurve in Lambichl.

Auf Christian Scheider, der bereits in den Jahren 2009 bis 2015 Bürgermeister war, geht das geflügelte Wort zurück: »Klagenfurt am Fuße des Wörthersees.« Noch im Wahlkampf, man entschuldige die Wortwiederholung, verlieh ihm die Jörg Haider Gesellschaft die Jörg-Haider-Medaille, »für Verdienste um politische Erneuerung«. Übergeben wurde die Auszeichnung, mit der schon Persönlichkeiten wie H.C. Strache bedacht wurden, samt Urkunde von Claudia Haider, der Witwe persönlich. In der Lokalpresse zeigte sich der Geehrte gerührt. Mit Jörg Haider habe er über 20 Jahre zusammengearbeitet, habe mit ihm Höhen und Tiefen erlebt; er sei ihm Mentor und Freund gewesen.

Die Verleihung der Medaille an Scheider signalisierte die Versöhnung mit dem ultrarechten Lager. Im Jahr zuvor war Scheider nach langem und quälenden Postengerangel spektakulär aus der FPÖ ausgetreten, um dann im Frühjahr mit dem »Team Kärnten« (vormals »Team Stronach«) noch spektakulärer die Bürgermeisterwahl zu gewinnen - gegen eine blasse und recht kühle SPÖ-Amtsinhaberin.

Und das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten. So Gott will und der ORF sich keines Besseren besinnt, wird am Sonntagmittag der aktuelle Haider-Preisträger dem neuen Bachmann-Preisträger gratulieren (der womöglich wie in den Jahren davor eine Bachmann-Preisträgerin sein wird). Wir gratulieren schon jetzt.

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