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Mit Deutschland geht es voran

Notizen zu einer Lektüre von Zeitungsartikeln, die erst 2027 erscheinen

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Horrorvision unseres Kolumnisten: GSG 9-Spezialeinsatzkräfte haben das Redaktionsgebäude des »nd« besetzt.
Eine Horrorvision unseres Kolumnisten: GSG 9-Spezialeinsatzkräfte haben das Redaktionsgebäude des »nd« besetzt.

»Es ist nicht einfacher geworden, seit sich die SPD und die Grünen öffentlich von uns distanziert haben«, sagt Udo Brettschneider. »Selbst die Linkspartei hat vorgestern ihr Abo gekündigt. Bei ihnen werde ja eh ›schon lange nichts mehr gelesen‹, so teilte mir die Parteivorsitzende am Telefon mit. Man informiere sich jetzt vor allem via Tiktok. Das koste weniger Zeit, hieß es.«

Brettschneider ist 46 Jahre alt, glatt rasiert, Familienvater. Er habe sich immer als Sozialdemokrat gesehen, als Mann der Mitte, erklärt der braun gelockte Journalist, der Blue Jeans und ein anthrazitgraues Cordsakko trägt. Seit 20 Jahren arbeitet er als Redakteur im Innenpolitikressort der »Süddeutschen Zeitung«. Ein müdes, wie erzwungen wirkendes Lächeln umspielt seine Mundwinkel, als er nach den jüngsten Anzeigenkunden-Verlusten und dem steten Niedergang der Druckauflage gefragt wird. »Da können wir hundertmal sagen, wir waren schon immer und sind eine liberale Tageszeitung, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Demokratie steht – die derzeitige Regierungskoalition ist da ganz anderer Meinung.«

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Nur wenige Tage sind vergangen, seit das einst so traditionsreiche überregionale Blatt von der Bundesinnenministerin als »klar linksextremistisch« eingestuft wurde. Ein Verbot wird zurzeit noch geprüft – anders als im Fall der verfassungsfeindlichen kommunistisch-anarchistischen Propagandazeitung »neues deutschland«, deren Redaktionsräume bereits vor einem Monat von der GSG 9 erfolgreich gestürmt wurden. Da war ein Verbot längst überfällig.

Doch der Verfassungsschutz hatte auch die »Süddeutsche Zeitung« wegen ihrer immer stärker ins Linksradikale lappenden Berichterstattung schon länger auf dem Kieker. Erst kürzlich erschien in einer Wochenendausgabe eine Reportage, in der die Einsparung sämtlicher staatlicher Transferleistungen (früher: »Bürgergeld«) in unverschämter Weise kritisiert wurde. Vor drei Wochen war ein wenig schmeichelhaftes Porträt des Bundeskanzlers zu lesen, in welchem angedeutet worden war, dass dessen einstiges Engagement für das Unternehmen Blackrock möglicherweise aus Eigennutz geschah.

»Da musste etwas passieren«, erklärt auf Nachfrage Vizekanzlerin und Innenministerin Weidel. »Über Jahre musste man mit ansehen, wie dieses linksversiffte Schmierblatt zielgerichtet den normalen deutschen Bürger verhetzt. Unter dem Deckmantel der demokratischen Meinungsfreiheit wurde ein Lügenartikel nach dem anderen gedruckt: Wir seien eine extrem rechte Partei, hieß es da zum Beispiel. Nur weil viele unserer Anhänger und Wähler unter einem unkontrollierten Zucken im rechten Arm leiden, heimatverbundene Patrioten sind oder aus einer migrationskritischen Perspektive heraus hie und da mal ihre Faust sprechen lassen. Bei solchen deutschfeindlichen Elementen, wie sie in dieser Schmutzpostille sitzen, da wurde es langsam Zeit, dass wir die Samthandschuhe ausziehen«, erläutert die wie immer extrem elegant gekleidete und messerscharf argumentierende Politikerin und lobt das »feine Gespür« der Verfassungsschutzbeamten für die vaterlandslosen Gesellen.

Seit Bundeskanzler Friedrich Merz im Sommer beschlossen hat, sich von seinem Koalitionspartner SPD zu trennen, der bei Umfragen bei Werten um die Fünf-Prozent-Hürde stagnierte, und mit der wohl zu Unrecht umstrittenen AfD eine neue Regierungskoalition zu schmieden, weht »endlich ein frischer Wind durch unser Land, das jetzt endlich Gas gibt«, wie der neue Regierungssprecher Ulf Poschardt diagnostizierte. »Wir sind der Porsche unter den Regierungen.«

Auch viele Journalisten, von der linksliberalen »FAZ« bis zur bürgerlich-libertären Wochenzeitung »Junge Freiheit«, zeigten sich erleichtert. Die sogenannte »Deutschlandrettungskoalition«, wie sie in der Presse lobend genannt wird, mache bislang hervorragende Arbeit. Insbesondere die neuen im Bundestag zu verabschiedenden Gesetzesentwürfe, allen voran der zur »Neuordnung der Perspektiven auf die jüngere deutsche Geschichte in Sach- und Schulbüchern« und der zur »Neustrukturierung des deutschen Medien- und Presserechts«, bekommen viel Zustimmung.

Auch im Stadtbild, das Friedrich Merz schon vor zwei Jahren beklagte, seien bereits erste positive Veränderungen zu bemerken: Statt über beschäftigungslose Trinker, Schwarzköpfe, konsumverweigernde Däumchendreher und andere zweifelhafte Subjekte, die früher in den Innenstädten herumlungerten, schweife der Blick nun über farbenfrohe Reklamewände, den stetig wachsenden, hochmodernen Automobilverkehr und die schönsten deutschen Betongebäude der 80er Jahre. Die Personenkreise, die von der Regierung und der Bevölkerung als störend empfunden wurden, habe man »an einen sicheren Ort verbracht«, so hieß es auf Nachfrage unseres Reporters. Zu den Details wollte man sich bei der Innenbehörde und den Sicherheitskräften »vorerst nicht äußern«.

Kurz gesagt: Die Weichen für eine goldene Zukunft sind gestellt. Mit Deutschland geht es voran.

Nur Udo Brettschneider, der, wie sich herausstellt, ein ziemlicher Querulant zu sein scheint, zeigt sich nach wie vor skeptisch. Der von der Bundesregierung beauftragte private Sicherheitsdienst, dessen Mitarbeiter überaus formschöne Schlagstöcke am Gürtel tragen und der neuerdings die Redaktionsarbeit der »Süddeutschen« sanft zurück in demokratische Bahnen lenken soll, wurde vor ein paar Tagen überraschend von zehn auf zwanzig Personen verstärkt. Das mache ihm ein wenig Sorgen, so der unpatriotische Schreiberling, der sich selbst am Ende unseres Gesprächs einen frechen Kommentar nicht verkneifen kann: »Ich bin mir nicht sicher, ob uns mit dieser Regierung eine bessere Zukunft bevorsteht. Sicher ist jedenfalls …«

Die abschließenden Worte des störrischen Politikredakteurs sind leider nicht mehr zu verstehen. Sie werden von den lauten Geräuschen übertönt, die die Sicherheitsdienstangestellten nebenan machen.

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