Neues vom Hufeisen

Jana Frielinghaus zur Aufregung über zwei Handvoll Hausbesetzer

Wie bei einem Pawlowschen Reflex wogte die Empörung anlässlich einer von martialisch ausgerüsteten Polizisten begleiteten Brandschutzbegehung in einem besetzten Haus durch die Medienwelt. Politiker ergingen sich in Forderungen nach einem härteren Durchgreifen gegen »Linksextremisten« angesichts der militant-allergischen Reaktion der Bewohner der Rigaer Straße 94 in Berlin auf die Präsenz von mehr als 1000 Polizisten. Auf die Vorgeschichte und damit auf die Gründe für diese Reaktion ging kaum einer der Kommentatoren ein. Und auch nicht darauf, dass der Staat mit Eskalationen dieser Art auch Bilder erzeugt, mit denen Überwachung und Repressalien gegen Linke allgemein gerechtfertigt werden.

Nein, Krawall und brennende Barrikaden in Berlin sind nicht nur für südwestdeutsche Zeitungen willkommener Anlass, einmal mehr von vielen angeblich die Demokratie bedrohenden Festungen des Linksextremismus zu schwadronieren. Bei Ereignissen wie diesen wird stets die Hufeisentheorie von den gesellschaftlichen »Rändern« bemüht, von den düsteren Zwillingen, die die angeblich anständige Mitte von rechts und links gleichermaßen unter Beschuss nehmen. Dass genau in dieser Mitte Autoritarismus, Rassismus und Sozialdarwinismus seit Jahrzehnten salonfähig sind, wird von Journalisten und Politikern von Union bis SPD noch immer absichtsvoll ausgeblendet. Das ist umso skandalöser, als spätestens mit der Selbstenttarnung des NSU klar wurde, wer solche Mörderbanden gedeckt und die Spuren zu Mittätern verwischt hat: Leute, die offiziell die demokratische Verfasstheit dieses Landes schützen sollen. Doch die richten ihr Hauptaugenmerk noch heute auf linke Gruppen, darunter natürlich auch die Rigaer 94, und sogar auf die VVN-BdA, also auf Leute, die die Verfassung gegen ihre wahren Feinde verteidigen. Wenn der Blätterwald wegen dieses Skandals einmal so rauschte wie nach den Szenen in der Rigaer, wäre schon viel gewonnen.

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