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Deutschland schlägt Europameister Portugal deutlich mit 4:2 und hat das Achtelfinale im Blick

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie gut der erste Sieg im zweiten EM-Gruppenspiel allen Beteiligten bei der deutschen Nationalmannschaft tat, ließ sich in vielen Szenen beobachten. Besonders große Erleichterung schien bei Joachim Löw mitzuschwingen nach dem 4:2 (2:1) gegen Europameister Portugal, das die Tristesse des vorherigen 0:1 gegen Weltmeister Frankreich samt aller Debatten um System und Personal plötzlich sehr fern wirken ließ.

Eine »Nervenschlacht« hatte der Bundestrainer gesehen, von denen er aber schon einige erlebt habe und die ihn nicht »umhauen« könnten. Doch sein Lächeln, das er zuletzt nicht so oft präsentiert hatte, erzählte davon, wie gelöst er nach dem großen Schritt gen Achtelfinale in Wahrheit war. Und auch davon, dass er sich vorerst bestätigt fühlte, dieselbe Formation und Startelf aufgeboten zu haben wie gegen Frankreich. Also die Dreierkette und die Außenbahnspieler Robin Gosens und Joshua Kimmich, die mit ihrer Offensivwucht diesmal maßgeblich dazu beigetragen hatten, dass Frohsinn und Zuversicht zurückgekehrt waren und die Kritik verstummte. Die DFB-Elf war teils begeisternd aufgetreten - trotz mancher Defizite in der Defensive.

Das frühe 0:1 durch Cristiano Ronaldo (15.), als sich die deutsche Mannschaft mangels Absicherung nach einem eigenen Eckball auskontern ließ, brach ihren Schwung nur kurz. Bald drehte sie das Spiel durch die erzwungenen Eigentore von Rúben Dias (35.) und Raphaël Guerreiro (39.). Nach den weiteren Treffern von Kai Havertz (51.), mit 22 Jahren und acht Tagen nun jüngster deutscher EM-Torschütze, und Gosens (60.) fiel das 4:2 von Diogo Jota (67.) nicht mehr ins Gewicht. Überzeugt hatte die deutsche Elf mit Rasanz, Wille und Spielfreude, nachdem sie von den defensivstarken Franzosen noch ausgebremst worden war. Nun schien es, als habe sie die Geschwindigkeit neu für sich entdeckt, als habe jemand auf eine Beschleunigungstaste gedrückt. »Es war eine klasse Leistung«, lobte Löw, »es war von Anfang an Tempo in den Aktionen nach vorne, tolle Kombinationen, gut über die Außen Kimmich und Gosens. Das war unser Plan, und der ist gut aufgegangen.« Begünstigt allerdings auch davon, dass Portugal deutliche Schwächen in der Abwehr offenbarte. »Es war einen Tick einfacher«, sagte Thomas Müller, aber vor allem sei man »mutiger und kreativer« aufgetreten als gegen Frankreich.

Besonders der Mann des Tages Gosens hatte Bilder geliefert, die von Entschlossenheit und Gier kündeten. Wie mit seiner eingesprungenen Grätsche, mit der er zunächst ein Abseitstor erzielte. Hinterher klatschte er nach seinem ersten regulären Turniertor und zwei Vorlagen mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff lachend ab, ehe er zusammen mit seinen Kollegen auf der Ehrenrunde erschöpft, aber vergnügt über den Rasen der Münchner Arena zog. Das sehr gelungene Spiel nannte Gosens »magisch« und »gigantisch«. »Das ist mit Sicherheit einer der Abende, die ich nicht vergessen werde«, fügte der 26-Jährige noch hinzu. Womöglich folgen davon ja noch ein paar weitere bei dieser EM.

Man sei jetzt »im Turnier angekommen«, befand Löw und wendete den Blick schnell auf die »weiteren Aufgaben«. Er wagte sogar eine indirekte Prognose, bei der er Erfahrungswerte mit den Zielen für die eigene Mannschaft verknüpfte. Wenn man so weitermache wie gegen Portugal, »dann können wir Schritt für Schritt vorankommen«, blickte der Bundestrainer voraus. Den teils betrüblichen Auftakt gegen Frankreich deutete er als gutes Zeichen um. Löw sagte: »Wer in den ersten Partien perfekt spielt, hat in den seltensten Fällen ein Turnier gewonnen.«

Es schien nun beinahe, als habe es das drohende Szenario eines Ausscheidens nach der Gruppenphase und eines jähen Endes der Ära von Löw nach 15 Jahren als Bundestrainer nie gegeben. Stattdessen ließen sich Bilder bestaunen, die an Euphorie grenzten. Die Fans sangen ihr traditionelles Liedgut, dessen Refrain (So was ha’m wir lange nicht geseh’n) die Geschehnisse durchaus passend zusammenfasste. Denn das, was die DFB-Elf zur Aufführung gebracht hatte, war nicht nur schön und teils mitreißend geraten. Auch die indirekte Erinnerung des Publikums an die weniger verheißungsvollen Auftritte in den vergangenen Jahren traf zu. Statt auf das nächste Aus nach der Gruppenphase zuzusteuern wie bei der WM 2018, kommt die deutsche Mannschaft nun schon mit einem Unentschieden am Mittwoch gegen Ungarn sicher weiter. Das erste Etappenziel wäre erreicht.

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