• Kultur
  • Ehemalige Mitarbeiter der Bundeswehr

Verantwortung

NETZWOCHE: Medien mahnen, Politik schweigt, und die Kunst springt jetzt ein

»BREAKING: Wir finanzieren seit einer Woche ein SAFE HOUSE für ehemalige Mitarbeiter*innen der Bundeswehr & deutschen Botschaft in Afghanistan, weil es die deutsche Bundesregierung nicht tut und diese Menschen schützt. 45 Mitarbeiter*innen sind bereits mit ihren Familien da«, twitterte am Donnerstag das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS).

Mittlerweile sind seit dem Abzug der letzten Bundeswehrsoldat*innen aus Afghanistan zwei Wochen vergangen. Zurück blieben ehemalige Mitarbeitende der Truppe, die nun um ihr Leben bangen, weil die Taliban sie der Kooperation mit dem Feind bezichtigen. Die Wut der Künstler*innen vom Zentrum ist spürbar. Sie fordern die Bundesregierung auf, endlich Verantwortung zu übernehmen. »Warum müssen zivilgesellschaftliche Akteure den Scherbenhaufen aufräumen, den die deutsche Politik vor Ort hinterlassen hat?«, will das ZPS von Regierungssprecher Steffen Seibert wissen.

Seibert und andere Kolleg*innen aus dem Bundespresseamt hantieren seit mehreren Monaten in der Bundespressekonferenz mit den immer gleichen Floskeln. In den Protokollen der Sitzungen und digital in den Aufzeichnungen des Journalist*innen-Teams von »Jung und Naiv« sind die Versuche dokumentiert, die Regierung als großzügig helfend darzustellen. Man bekennt sich zur Verantwortung »für viele dieser Menschen«, sagt Regierungssprecher Seibert.

5. Juli 2021 - Bundespressekonferenz | Regierungspressekonferenz | BPK

Doch viele sind eben nicht alle. Längst stehen keine deutschen Truppen mehr zum Schutz zur Verfügung. Militärflüge raus aus dem Land waren vom Verteidigungsministerium kurzzeitig in Aussicht gestellt und entpuppten sich schnell als Luftnummer. Wer Afghanistan wegen einer Tätigkeit für die Bundeswehr verlassen will, gibt nicht nur Hab und Gut sowie das soziale Umfeld auf, sondern startet auch in eine kaum gesicherte Existenz in Deutschland. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte kürzlich, dass wenigstens die Flugkosten für die Flucht getragen werden. Mit dem Bundesinnenministerium offenkundig nicht zu machen.

Stattdessen installierten Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium ein weltfremdes Antragsverfahren für Visa. So wurde ein Büro in Kabul eingerichtet, in dem Anträge gestellt und Visa entgegengenommen werden können. Ein Großteil der Ortskräfte lebt allerdings im gut 400 Kilometer von Kabul entfernten Masar-e Scharif.

Im Facebook-Chat mit »nd« schilderte in der vergangenen Woche eine betroffene Ortskraft, dass der Weg nach Kabul nicht mehr angetreten werden könne, da die Taliban die Ortsausgänge und Straßen längst kontrollieren würden.

Das »Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte« versucht derzeit, via Facebook spenden zu generieren, um die Safe House genannten Schutzhäuser in Kabul anbieten zu können. Mit rund 100 Schutzsuchenden ist jedoch die Kapazitätsgrenze längst erreicht. In den Facebook-Postings ist auch die Gruppe »The Forgotten 26« - Die Vergessenen 26 - zu finden. Sie waren zuletzt nicht mehr direkt bei der Bundeswehr angestellt, wurden aber von deutschen Soldat*innen bei der Medienarbeit begleitet, mit der sie hauptsächlich die afghanische Armee in Szene setzen sollten. Auch sie sitzen in Masar-e Scharif fest. Auf die Frage an die Bundesregierung, wie sie an Visa kommen sollen, um das Land zu verlassen, empfehlen Sprecher der Ministerien den Weg des E-Mail-Antrages. Das Verlassen des Landes ist indes weiterhin nicht digitalisierbar.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal