Das Militär übernimmt das Kommando

Im westafrikanischen Guinea kommt es nach elf Jahren Zivilregierung mal wieder zu einem Putsch

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Sein Gegenspieler, der Diktator und Ex-General Lansana Conté, schied 2008 nach 24 Jahren durch Tod aus dem Amt des Staatschefs aus, Alpha Condé, der 2010 durch Wahlen an die Schalthebel kam, wurde am Sonntag von Militärs weggeputscht. In ersten, in den sozialen Medien verbreiteten Bildern war Condé barfuß, aber äußerlich unversehrt zu sehen. Nähere Informationen über seinen derzeitigen Aufenthalt gibt es nicht. Präsident Alpha Condé sei festgesetzt worden, aber gesund, ließen die Putschisten um Oberst Mamady Doumbouya verlauten. Der Chef der Spezialeinheiten des Landes erklärte in einem unverifizierten Video unter anderem eine Instrumentalisierung der Justiz, Plünderung von Staatseinnahmen und Korruption in Guinea als Gründe für die Absetzung Condés. »Wir werden die Politik nicht mehr einem Mann anvertrauen, sondern dem Volk«, sagte Doumbouya, der einst in der französischen Fremdenlegion diente.

Die rebellierenden Soldaten gaben sich den Namen Nationales Komitee für Versammlung und Entwicklung und riefen das bisherige Kabinett am Montag zu einer Dringlichkeitssitzung ein. Wer nicht erscheine, werde als Rebell betrachtet. Welche Konsequenzen das nach sich zieht, blieb offen.

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International stieß der Putsch auf eine breite Front der Ablehnung, die von UN-Generalsekretär António Guterres angeführt wird. Er erklärte, eine Übernahme der Regierung durch Waffengewalt sei nicht hinnehmbar. Auch die Afrikanische Union verurteilte in einer Mitteilung »jegliche gewaltsame Machtübernahme« und forderte die sofortige Freilassung Condés. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, äußerte sich auf Twitter ähnlich. Er appelliere an alle, um des Friedens willen und zum Wohle des guineischen Volkes nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu handeln. Auch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich verurteilte den Versuch der gewaltsamen Machtübernahme und verlangte die Rückkehr zur verfassungsgemäßen Ordnung sowie die sofortige und bedingungslose Freilassung Condés.

In der Bevölkerung Guineas stieß der Putsch auch auf Zustimmung. Auf den Straßen Conakrys kam es zu Menschenansammlungen, bei denen Zivilisten zusammen mit Soldaten das Ende der Regentschaft von Condé feierten. Die politische Opposition zu Condé reagierte mit gemischten Gefühlen. Mamoudou Nagnalen Barry, Gründungsmitglied der oppositionellen FNDC (Nationale Front für die Verteidigung der Verfassung), erklärte gegenüber der BBC, dass er den Staatsstreich überwiegend begrüße. »Wir wollen uns nicht über einen Putsch freuen, aber unter bestimmten Umständen, wie jenen in Guinea, sind wir wirklich froh über das, was passiert ist, weil das Land sonst in der endlosen Macht einer Person feststecken würde, die für immer an der Macht bleiben will.«

Alpha Condé war 2010 als Hoffnungsträger gewählt worden. Dass er unter Conté im Gefängnis saß, kam seiner Glaubwürdigkeit zu Gute. Sein Versprechen, die Wirtschaft auf Vordermann zu bringen und damit die Armut zu bekämpfen, konnte er nur im Ansatz halten. Auch in Guinea sickerten die Einkommenszuwächse bei den Reichen nicht ausreichend nach unten durch, wie das die neoliberale Theorie mit ihrem »Trickle-Down-Effekt« bis heute als wirtschaftliches Erfolgskonzept verkaufen will. Condé gelang es zwar, Rohstoffabbauprojekte auf den Weg zu bringen und sich mit dem Internationalen Währungsfonds gut zu stellen, doch die Mehrheit der Bevölkerung blieb bitterarm. Im Index menschlicher Entwicklung, der die drei Gebiete Gesundheit, Bildung und Lebensstandard untersucht, liegt das Land auf Rang 178 der 189 dort erfassten Länder.

Was Condé aber vor allem in die Kritik brachte, war sein zunehmend undemokratisches und autoritäres Gebaren. Er ließ die Verfassung ändern, damit er 2020 eine dritte Amtszeit angehen konnte. 2019 und 2020 wurden laut Amnesty International Dutzende Menschen bei Protesten überwiegend durch Sicherheitskräfte getötet.

Der legendäre Unabhängigkeitskämpfer und bis zu seinem Tod 1984 amtierende Präsident Ahmed Sékou Touré sagte nach der Unabhängigkeit 1958 in Richtung Frankreich: »Guinea zieht die Armut in Freiheit einem Reichtum der Sklaverei vor.« Die Freiheit lässt auf sich warten und bei Armut ist es für den Großteil der rund 13 Millionen Guineer*innen geblieben. Daran haben die weltweit größten Bauxitvorkommen nichts geändert.

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