CDU geht angeknockt aus dem Ring

Worte statt Fäuste war das Motto einer prominent besetzen Wahlkampfveranstaltung in Rendsburg

  • Dieter Hanisch, Rendsburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Zum gegenseitigen Rededuell mit sich abwechselnden Paarungen haben sich am Samstagabend vier bereits im Bundestag gestandene Größen in Rendsburg eingefunden: Johann Wadephul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzender in der Grünen-Fraktion sowie Dietmar Bartsch als Fraktionsvorsitzender der Linken und deren Spitzenkandidat. Zusammengestellt hat die Viererrunde das Institut für Bildungsdienstleistung (IfB).

Zu einer Verwicklung kam es schon im Vorfeld der Veranstaltung: Weil auch die AfD und speziell Björn Höcke für eine Teilnahme angefragt wurde, lehnte die SPD frühzeitig ihr Kommen ab. Die AfD reagierte dann allerdings überhaupt nicht. So hat Sönke Rix von den Sozialdemokraten als weiteres Bundestagsschwergewicht wohl auch ein wenig wehmütig nur auf der Tribüne Platz genommen.

Die Nordmarkhalle, einst als Viehauktionshalle errichtet und im Volksmund daher auch Bullentempel genannt, erlebt die Protagonisten mit anfänglich dreimal vier Solorunden jeweils à zwei Minuten zu bestimmten Stichworten. Dabei werden erste Standpunkte und thematische Unterschiede markiert. Für die rhetorisch versierten Kandidaten keine wirkliche Herausforderung, sondern eher ein Warmreden. Im Publikum zeigt sich am Lautstärkepegel des Beifalls, welche Partei am besten ihre Anhänger mobilisiert hat. Wadephul hat in Rendsburg seinen Wahlkreis, und die CDU hat durch viele Aktivisten der Jungen Union (JU) im Publikum scheinbar ein Heimspiel, doch auch die Statements von Bartsch zu einer Kindergrundsicherung bekommen reichlich Applaus.

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Dann starten unter der Moderation von Stefan Dohm vom IfB mehrere Fragerunden aus dem Publikum an je einen Politiker plus Gegenrede-Kontrahenten. Das sind die verbalen Ringschlachten, die das Polit-Boxen zum kurzweiligen Event mit schlagfertigen Attacken und Sticheleien machen. Etwa wenn Dietmar Bartsch und Konstantin von Notz mit erregten Stimmen sich über die Nato auslassen, und der grüne Innenexperte sich anhören muss, dass seine Partei von 1998 mit der von heute nicht mehr koalieren würde; hieß es doch im damaligen Wahlprogramm, dass die Nato zurückgedrängt werden müsse. Bartsch erinnert daran, dass seine Partei mit Vorbehalten gegen die Nato keineswegs alleine stehe, sondern dass Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron das Bündnis schon 2019 als »hirntot« bezeichnet habe. Von Notz und Bartsch bestreiten aber auch das kürzeste Themen-Duell zur Frage nach einem Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen, als beide schlicht mit Ja antworten.

Klimaschutz ist ein gesetztes Thema, bei dem von Notz sich als ehrliche Haut zeigt und mutig zugibt, dass er mit einem Benzin schluckenden Auto nach Rendsburg angereist sei, was für ein Raunen in der Halle sorgt. Jurist Buschmann wiederum gebührt Respekt, dass er bei der Frage nach künftig noch bezahlbaren Pflegekosten eingesteht, dass die in dem Bereich fehlenden Kräfte wohl nur durch Zuwanderung aufgefangen werden könnten, dafür aber die gesetzlichen Hürden entgegen gängiger Praxis schnell gesenkt werden müssten.

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Bei allem Wahlkampf und einer damit verbundenen Rivalität der Kandidaten gab es auch Momente der Einmütigkeit - etwa zwischen der FDP und den Grünen, als Buschmann und von Notz die jahrelange CSU-Verantwortung für das Verkehrsressort im Bundeskabinett anprangern. Oder als Buschmann und Wadephul sich darüber aufregen, dass komplizierte und bürokratische Verfahren ein Hemmnis für Antragstellungen und Genehmigungen darstellen, zeigt sich Pragmatiker Bartsch mit ihnen im Bunde, indem er auf das Schneckentempo beim Ausbau neuer Windanlagen gerade im schwarz-gelb-grünen Bündnis, das Schleswig-Holstein regiert.

Die Wogen schlagen kurz vor Schluss hoch, als der verteidigungspolitische Sprecher der CDU die 20-jährige Afghanistan-Auslandseinsatzbilanz als insgesamt positiv bewertet. Trotz einer großen JU-Fanschar vor Ort sind die lautstarken Buhrufe gegen den von Moderator Dohm als »Black-Nato-Joe« vorgestellten Wadephul unüberhörbar.

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Letztendlich haben sich alle Kadidaten wacker geschlagen, auch wenn Bartsch das Fehlen einer Politfrau im Ring moniert. Die Regeln werden eingehalten, dem Kontrahenten unfair ins Wort zu fallen bleibt die Ausnahme. Zwischenrufe aus den jeweils zwei wartenden Ringecken ins Duell blieben auch aus. Ebenso wie verbale Tiefschläge - der Polit-Box-Knigge wird eingehalten.

Zusätzlichen Glamour erfährt die Veranstaltung durch einen Kurzbesuch des ehemaligen Boxweltmeisters Henry Maske vor der Polit-Redeschlacht, der nur wenige Stunden später dann live in Berlin bei der ZDF-Show von Giovanni Zarrella zu sehen sein sollte.

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