Im Feuer der Kritik

Berliner Mieterinitiativen setzten den Spitzenkandidaten bei Podium ordentlich zu

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Spitzenkandidat*innen von SPD, Linke, Grünen, CDU und FDP stellten sich den Fragen der mietenpolitischen Initiativen.
Die Spitzenkandidat*innen von SPD, Linke, Grünen, CDU und FDP stellten sich den Fragen der mietenpolitischen Initiativen.

Kurz vor 20 Uhr am Dienstagabend kommt die Veranstaltung auf Betriebstemperatur. Unter dem Johlen und Klatschen des Publikums der voll besetzten Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche spricht eine Aktivistin der streikenden Krankenhausbewegung die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey für die Abgeordnetenhauswahl direkt an: »Das geht ganz klar in Ihre Richtung, wir lassen uns nicht spalten. Es sind Kämpfe, die wir gemeinsam kämpfen«, kritisiert die Physiotherapeutin, die bei einer Vivantes-Tochter angestellt ist. Die Aktivistin zeigte sich damit mit dem Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen solidarisch. Die harsche Kritik zielt auf eine Aussage Giffeys ab, laut der sie auf die Frage, wie sie den Personalnotstand im Gesundheitswesen aufheben will, bei einer Veranstaltung des »Tagesspiegels« antwortete: »In dem ich zum Beispiel nicht 30 Milliarden Euro für Enteignungen ausgebe.«

Überhaupt haben die Spitzenkandidat*innen von SPD, Linke, Grünen, CDU und FDP bei der Veranstaltung »Was tun gegen den Mietenwahnsinn?« der Berliner Mieterbewegung einen schwierigen Stand. Rund 27 Initiativen und unter anderem der Berliner Mieterverein, der alleine 180 000 Mitglieder hat, sowie die Initiative des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen und das Initiativenforum Stadtpolitik haben den kontroversen Abend organisiert. Das Misstrauen in die Behebung der zentralen sozialen Frage in der Stadt durch die Politik ist groß - das zeigt sich auch darin, wenn nach einigen Antworten der Politiker*innen auf die kritischen Fragen niemand klatscht, was in der großen Kirche besonders nachwirkt.

Im Fokus der Kritik steht immer wieder die SPD. Giffey versucht den Eindruck zu erwecken, sich nicht gegen eine höhere Quote als 30 Prozent Sozialwohnungen im Neubau ausgesprochen zu haben (»nd« berichtete). Niemand applaudiert ihr für die Aussage, dass sich die »Sozialdemokraten über Jahrzehnte für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt als Schwerpunkt« stark gemacht haben. Auch die Ansage, neben bezahlbarem Wohnraum auch für einen »mittleren Bereich« Wohnungen zu schaffen, stößt auf Unverständnis.

Ähnlich schwierig wie Giffey haben es bei der Veranstaltung die Spitzenkandidaten von CDU und FDP, Burkard Dregger und Sebastian Czaja. Der Union wird nachgetragen, hohe Spenden aus der Immobilienwirtschaft erhalten zu haben. Die Liberalen bekommen ihr Fett dafür weg, dass sie einen allumfassenden Kurswechsel in der Wohnungspolitik ankündigen und unter anderem die Milieuschutzgebiete in Berlin schleifen wollen. Stattdessen soll über Mietkäufe die Eigentumsquote am Wohnungsbestand erhöht werden. Dass ein »Runder Tisch mit der Wohnungswirtschaft« den Mangel an preiswertem Wohnraum lösen wird, wie die CDU vorschlägt, glaubt unter den Mieteraktivst*innen, die aus allen Bezirken der Stadt nach Kreuzberg gekommen sind, kaum jemand.

Wenn in der wichtigen Kontroverse zu diesem Thema überhaupt so etwas wie Zustimmung im Publikum deutlich wird, dann gilt das häufig für Aussagen von Linken und Grünen. Das zeigt sich natürlich auch bei der Frage des Umgangs mit einem möglicherweise erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen, den SPD, CDU und FDP bekanntermaßen ablehnen, aber Linke und auch die Grünen unterstützen. Viel Applaus erhält Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer dafür, als er mit einigen »Mythen« aufräumt. »Wir werden das kreditfinanziert machen, die Stadt wird reicher, nämlich um diese Wohnungsbestände«, sagt Lederer etwa zur Entschädigungsfrage. Und: »Das Ergebnis des Volksentscheids muss in die eine oder die andere Richtung umgesetzt werden.«

Zum Schluss des Abends bekommen die Politiker*innen noch ein Abschiedsgeschenk. Es gibt eine eigene Schokoladenkreation: »Zart für Mieter*innen und bitter für Spekulant*innen«.

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