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»Dann steht man wieder allein da«

Morddrohung gegen Linkspolitikerin Jana Pinka zeigt Radikalisierung im sächsischen Freiberg

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es geht nicht um mich«, sagt Jana Pinka am Tag nach der Morddrohung. Die Aussage erstaunt, denn die Botschaft, die auf ein Brückengeländer in einem Park in Freiberg gekritzelt war, richtete sich ausdrücklich gegen die 57-jährige Geologin, die für Die Linke im Stadtrat der Bergstadt sitzt und sie von 2009 bis 2019 in Sachsens Landtag vertrat. »Pinka töten, rote Sau«, hatte ein Unbekannter geschrieben. Die Politikerin erstattete Anzeige; mittlerweile ermittelt der Staatsschutz.

Jana Pinka fühlt sich durch den Mordaufruf selbstverständlich bedroht. Sie erinnert an den Mord an dem Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der sich für die Integration von Flüchtlingen ausgesprochen hatte und von einem Nazi erschossen wurde. Pinka ist im Bündnis »Freiberg für alle« aktiv, dessen Mitstreiter seit Jahren ähnliche Ziele verfolgen, auch als die Stadtspitze Anfang 2018 mit der Forderung nach einem »Zuzugsstopp« für Asylbewerber bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Pinka legte Widerspruch gegen den Beschluss ein und wurde schon damals auf offener Straße angepöbelt.

Seither hat sich in der Gesellschaft eine weitere Radikalisierung vollzogen, die »wir auch hier in Freiberg beobachten«, wie das Bündnis nach der Morddrohung erklärte. In der Stadt gibt es besonders hartnäckigen Widerstand gegen die Corona-Politik. Als kürzlich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) auf einem Bürgerforum im Freiberger »Tivoli« darüber diskutieren wollte, sah er sich einem enthemmten Mob gegenüber. Eine Mitschuld an der Eskalation wird ausgerechnet dem CDU-Politiker Holger Reuter gegeben, der Vizeoberbürgermeister ist, aber an »Montagsspaziergängen« gegen die Corona-Maßnahmen teilnahm und diese so quasi legitimierte. Er ist auch Chef des CDU-Stadtverbands, der 2017 in den »Freiberger Thesen« den Rücktritt Angela Merkels forderte und in dem Bündnisse mit der AfD als akzeptable politische Option gelten.

In diesem rechtskonservativen politischen Klima haben es Initiativen, die für Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt eintreten, seit Jahren schwer. Bei vielen Institutionen ernte sie bedauernde Absagen, wenn sie bitte, öffentlich Position zu beziehen, sagt Pinka: »Da steht man dann wieder allein da.« Die Gegenseite dagegen sieht sich im Aufwind. Im Herbst 2019 ging im Wahlkreis Mittelsachsen II das Direktmandat im Landtag an die AfD, zuletzt auch das Direktmandat im Bundestag, »und jetzt nehmen sie Kurs auf Landratsamt und Rathaus«, sagte Pinka im Gespräch mit »nd«. Es tobt eine harte politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung, in der vor Einschüchterung und eben Morddrohungen nicht zurückgeschreckt wird. Sie vollzieht sich auch in Städten wie Leipzig, wo am Wochenende ein Auto mit Werbung für den linken Direktkandidaten Philipp Rubach vermutlich angezündet wurde. Im ländlichen Raum sind die Mehrheiten aber andere. »Momentan«, sagt Pinka und klingt dabei ein wenig resigniert, »habe ich das Gefühl, dass wir dem wenig entgegenzusetzen haben.«

Aus der Landespolitik erfährt Pinka Unterstützung. Linke-Landeschef Stefan Hartmann und Kreischefin Marika Tändler-Walenta verurteilten den Angriff als »unerträglich und undemokratisch«. Pinkas einstiger CDU-Landtagskollege Sebastian Fischer erklärte, er sei zwar mit ihr selten einer Meinung gewesen, verteidige sie aber als Demokratin: »Morddrohungen sind widerlich!« Pinka erklärte, sie werde sich weder für ihre Haltung noch ihre Forderung nach einer friedlichen Zukunft in Freiberg entschuldigen. Derzeit ist sie verreist. Am Donnerstag kommt sie zurück, um an der Sitzung des Stadtrats teilzunehmen - jetzt erst recht.

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