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Onlinedating als trans Frau ist anstrengend

Auf herkömmlichen Datingplattformen haben viele Menschen Vorurteile gegenüber trans Personen

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 5 Min.
Phenix' Appell an Datingplattformen

Online-Dating hält einige Tücken bereit, kann aber auch eine gute Erfahrung sein. Wie läuft es für dich im Internet?

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Internet-Dating ist für eine trans Frau nicht ganz einfach. Natürlich gibt es Portale, die für queere Menschen ausgelegt sind, dort kann man besonders detailliert seine Geschlechtsidentität angeben. Auf diesen Datingplattformen tummeln sich aber auch viele Menschen, die trans Frauen fetischisieren und in eine andere Kategorie als cis Frauen stecken. Aber ich als trans Frau verstehe mich einfach als Frau. Also warum muss ich jetzt auf so eine ausgelagerte Datingplattform gehen? Also melde ich mich auf herkömmlichen Datingplattformen an. Aber dort sind viele Menschen, die mir gegenüber Vorurteile haben und sich mit bestimmten Thematiken nicht auseinandersetzen und dadurch ist es für mich wiederum eine sehr anstrengende Erfahrung.

Wie sicher ist Online-Dating für dich? Hast du Mechanismen gefunden, die dir einen Safe Space ermöglichen?

Ich habe allgemein ein paar Mechanismen, die mir zeigen, wie mein Gegenüber so drauf ist, vor allem hetero cis Männer. Wie reagiert er, wenn ich ihn frage, ob er schon mal was mit einem anderen Mann hatte oder wenn er meine Handtasche in der Öffentlichkeit halten soll? Die Reaktion, die jemand auf solchen Fragen zeigt, sind für mich auf einer menschlichen Ebene wichtig.

Ich achte auch darauf, dass jeder Mensch, den ich persönlich treffe, weiß, dass ich trans bin. Ich habe das mehrfach in meinem Profil stehen. Trotzdem gehe ich auf Nummer sicher und führe immer noch mal dieses Gespräch. Für meine persönliche und körperliche Sicherheit. Es gibt trans Männer, aber vor allem viele trans Frauen, die körperlich schon einiges über sich haben ergehen lassen müssen, weil ihr Gegenüber nicht von vornherein wusste, dass sie trans sind. Das ist eine schwierige Diskussion, an welcher Stelle eine trans Person dem Gegenüber das mitzuteilen hat oder ob sie es überhaupt mitzuteilen hat.

Ich gehe im Moment immer den Weg vorne rum. Aber damit muss ich es sofort zum Thema machen und dann sind wir zurück da, wo ich mich von cis Frauen ausklammere. Es ist ein Kreislauf.

Hast du das Gefühl, beim Onlinedating gleichzeitig auch Bildungsarbeit zu trans Themen leisten zu müssen?

Ja total! Ich habe für mich selbst die Regel aufgestellt, wenn die erste Nachricht sofort um mein trans Sein geht, löse ich das sofort auf und interagiere nicht weiter mit dieser Person. Damit fühle ich mich nicht wohl. Für mich ist das trans Sein nicht oberste Priorität meiner selbst. Und wenn eine andere Person direkt den Fokus darauf legen will, dann ist das nicht meine Welt und mein romantisches Interesse verfliegt in 99 Prozent der Fälle sofort. Ich möchte einfach behandelt werden wie eine cis Frau und je mehr Vertrauen aufgebaut wird, desto mehr spreche ich auch ganz von alleine über trans Themen. Weil natürlich beschäftigt mich das in meinem Leben viel. Ich fühle mich oft so, dass ich einen Bildungsauftrag leisten muss. Auf Instagram habe ich relativ viel aufklärenden Content gemacht, mittlerweile zu wirklich jeder blöden oder primitiven Frage. Ich nenne es beim Namen und habe immer einen Link, den ich rüberschicken kann. Ich sag dann: »Guck dir das an, google noch mal.«

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Trans Frauen werden oft fetischisiert. Ich dachte immer, ein Fetisch ist eine Form der Sexualität, die aber nichts mit konkreten Personengruppen zu tun hat.

Genau das ist auch das Schwierige daran, weil sich ein Fetisch auf körperliche Eigenschaften bezieht. Aber meine Geschlechtsidentität ist einfach kein Fetisch. Meine Geschlechtsidentität ist einfach ich selbst. Sobald ich fetischisiert werde, meide ich die Person sehr schnell.

Woran merkst du das im Vergleich zu ehrlichem Interesse an dir, also wo liegt da der Unterschied?

Es ist schwierig, da eine klare Linie zu ziehen. Aber ich spüre, wann ich mich unwohl fühle. Einige Personen wollen, dass ich ein bestimmtes Outfit trage, dass bestimmte Dinge passieren. Sie werden in ihren Forderungen auch sehr schnell sehr konkret. Oder es geht direkt um andere sexuelle Akte, die mit einer cis Frau nicht so durchzuführen sind, wie mit einer trans Frau.

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In einem Interview hast du dich als »quasi heterosexuell« bezeichnet. Was bedeutet das?

Ich habe mich in den letzten Jahren privat wie auch beruflich sehr viel mit meiner Geschlechtsidentität auseinandergesetzt. Das hat mir auch gezeigt, dass die Hülle und das Innere eines Menschen manchmal nicht hundertprozentig zusammenpasst. Und deshalb kann ich gar nicht sagen, dass ich nur heterosexuell bin, weil innere Werte viel mehr zählen. Was ist, wenn eine nichtbinäre Person um die Ecke kommt, oder auch eine Frau, oder einfach eine Person, die kein Mann ist? Da will ich mich selbst nicht vorher in die Kategorie gesteckt haben.

Und noch eine Sache zum Thema heterosexuell: Ein Mann, der auf eine Frau steht, ist heterosexuell. Ein Mann, der auf eine trans Frau steht, ist in der Theorie genauso heterosexuell!

Ich habe noch eine Theorie zu heterosexuellen cis Männern: Wenn ein so privilegierter Mensch in unserer Gesellschaft eine trans Frau datet und diese trans Frau nun seinen Freunden und Familie vorstellt, dann ist das für ihn gegebenenfalls eine Situation, die einem Outing am nächsten kommt. Nicht, weil er selbst der trans Frau abspricht, eine Frau zu sein. Sondern weil er Angst hat, dass es seine Familie, seine Freunde, seine Bekannten tun. Und damit ist er zum ersten Mal in so einer Situation: Werde ich akzeptiert, wird meine Partnerin akzeptiert?

Phenix Kühnert arbeitet als Podcast Host und trans* /LGBTQIA-Aktivistin und lebt in Berlin.

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