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Der Preis der Tütensuppe

Häftlinge können Lebensmittel und Körperpflegeprodukte kaufen, in den meisten deutschen Justizvollzugsanstalten allerdings nur bei einem hochpreisigen Monopolisten

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 14 Min.
Einkauf im Gefängnis: Der Preis der Tütensuppe

Wir haben die Wahl: In den Supermarkt gehen, Nektarinen nach dem Härtegrad auswählen, haben die Bananen schon braune Stellen? Dieser oder jener Joghurt, Müsli, Käse, Bier und so weiter. Shampoo beim Drogeriemarkt, aktuelle Angebote beim Discounter. In Großstädten gibt es dazu eine Vielzahl an Lieferdiensten. Wer will, kann sich eine Avocado von Rewe nach Hause bestellen, zehn Minuten später ist sie da, Lieferkosten 1,80. Beim Bauern kann man sich im Internet eine Gemüsekiste zusammenklicken, zwei Tage später steht sie vor der Tür. Lieferkosten null bis drei Euro. Oder, noch anders: Mitglied der solidarischen Landwirtschaft werden und jede Woche eine Überraschungsgemüsekiste bekommen - ohne individuelle Auswahl, aber für einen guten Zweck.

Oder man sitzt in Haft. Dann isst man, was auf den Tisch kommt. Die »Gefängniscuisine« ist immer noch auf Twitter einsehbar, auch wenn der Account, der von Gefangenen in Berlin heimlich betrieben wurde, eingeschlafen ist - vermutlich wurde das Smartphone gefunden und konfisziert. Leicht zerkochte Spiralnudeln mit Spinatsoße, angereicht in einer Alubox. Oder zwei Brötchen, eine Banane und eine Packung Edelsalami. Reis mit eine paar Maiskörnern und Erbsen dazwischen, außerdem Hähnchenschnitzel und eine undefinierbare helle Soße. Dazu Joghurt mit 0,1 Prozent Fett.

Doch auch in der Haft kann man Lebensmittel kaufen, um sich selbst Essen zuzubereiten. Kochen kann man in der Regel allerdings nicht - und Lebensmittel sind oft viel teurer als außerhalb der Mauern. Die Gefangenen können nicht mal eben bei Flink oder Gorillas bestellen, können nicht entscheiden, Toastbrot, Tütensuppe oder auch Deo und Duschgel beim Discounter einzukaufen. Die meisten Haftanstalten haben genau einen Lieferanten für die sogenannten Waren des täglichen Bedarfs - und es ist in fast allen Gefängnissen der gleiche: die Massak Logistik GmbH. Ein Insasse hat wegen der hohen Preise die Gefängnisleitung verklagt. Die Entscheidung des Gerichts wird grundsätzliche Bedeutung haben.

Die Justizvollzugsanstalten sind gesetzlich verpflichtet, den Gefangenen den Einkauf von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Körperpflegeprodukten zu ermöglichen. Sie müssen den Einkauf entweder selbst organisieren oder einen sogenannten Anstaltskaufmann beauftragen. Das waren lange Zeit lokale Händler, wie auch Massak anfangs einer war: ein kleines Familienunternehmen, Vater, Sohn, ein paar Angestellte. Massak führte zunächst nur einen Edeka in der Nähe von Bamberg. Dann belieferte die Firma das örtliche Gefängnis. Und wuchs. Und wuchs. Heute ist Massak Quasi-Monopolist auf dem Markt.

Zwei Drittel aller Gefängnisse

Rund 160 bis 180 Haftanstalten gibt es in Deutschland. Ohne Zweigstellen, Jugendknäste und Abschiebegefängnisse hat »nd« 161 gezählt. Wie viele davon Massak beliefert, will das Unternehmen auf Anfrage nicht mitteilen. Man rede »nicht mehr mit Medien« über das Gefängnisgeschäft, heißt es am Telefon. Da werde »immer was rausgeschnitten«: Offenbar fühlen sich die Massaks in den Medien falsch dargestellt. Von weiteren Anfragen solle man absehen. Auf eine letzte E-Mail mit weiteren Fragen gibt es tatsächlich keine Antwort.

Nach Recherchen von »nd.DieWoche« beliefert Massak mindestens 121 JVA, also zwei Drittel aller Gefängnisse Deutschlands. 29 arbeiten nicht mit Massak zusammen. Bis auf elf bayrische JVA - und damit rund ein Drittel des Bundeslandes - haben alle Justizministerien bzw. JVA die Anfragen des »nd« beantwortet.

Die wenigsten Gefängnisse haben einen kleinen Laden. In den meisten reicht der Anstaltskaufmann alle ein bis zwei Wochen mehrere DIN-A3-Seiten Bestelllisten rein. Die Gefangenen können dann auswählen, was sie einkaufen wollen, tragen das in separate Bestellscheine ein und erhalten ein paar Tage später ihre Ware zusammengepackt geliefert.

Norbert Konrad spricht von Fresskörben. Konrad sitzt in der Sicherungsverwahrung der JVA Werl in Nordrhein-Westfalen ein. Er ist Mitglied der Gefangenengewerkschaft GG-BO und deren Sprecher in Werl. Konrad hat sich schon oft über den Lieferanten beschwert und im vergangenen Jahr sogar Klage eingereicht. Zuständig ist das Landgericht Arnsberg.

Bis jeweils Montag kann man in der JVA Werl seine Bestellscheine ausfüllen. Die werden an den Lieferanten gefaxt. Am Mittwoch kommen die Lkw, vollgepackt mit grünen Plastikkörben, erzählt Konrad am Telefon. Ab 15 Uhr nachmittags beginnt die Verteilung der Körbe. Tiefkühlwaren sind gesondert verpackt. Die Gefangenen, die etwas bestellt haben, stellen sich nach und nach entsprechend ihrer Zellennummer an, beginnend mit der niedrigsten. Jeder weiß, wann er etwa dran ist, niemand drängelt sich vor. Ausgegeben werden die Körbe von einem Mitarbeiter der Lieferfirma.

Norbert Konrad spricht von Wucher

Konrad bestellt fast keine Markenprodukte: Sie sind ihm zu teuer. Doch auch die Billigprodukte - oft »Gut und Günstig«, was es auch bei Edeka gibt - kosten hinter den Mauern wesentlich mehr als im Supermarkt, klagt er. In den vergangenen Jahren seien die Preise zudem stark gestiegen. Konrad redet von »Wucher«. Er wirft der Gefängnisleitung vor, ihre Sorgfaltspflicht gegenüber den Häftlingen zu vernachlässigen, indem sie diese Preiserhöhungen nicht unterbindet. Seine Klage richtet sich damit nicht gegen Massak selbst, sondern gegen die Leitung der JVA Werl.

Konrad ist nicht der Einzige, der sich über hohe Preise beschwert. Ein Gefangener aus Sachsen wandte sich per Brief ans »nd«. Stefan Walter bemüht sich unter dem Motto »Bewegung für Menschenrechte - Hinter Gittern« um die Rechte von Häftlingen: Als Mitglied der Gefangenenmitverantwortung der JVA Waldheim, mittig zwischen Dresden und Leipzig gelegen, hat er versucht, Verbesserungen anzuregen, hat sich an Politiker und Medien gewandt und sogar Strafanzeigen gestellt. Um seinen Verdacht zu hoher Preise zu belegen, bat er Bekannte außerhalb der Anstaltsmauern, Preise zu vergleichen. Er kam zu einem ähnlichen Ergebnis wie Konrad. Auch die Gefangenengewerkschaft, die Gefangenenzeitschrift »Lichtblick« aus Berlin-Tegel, die in ganz Deutschland gelesen wird, ehrenamtliche Mitglieder des Vollzugsbeirats in Berlin und andere Häftlinge, die »nd« kontaktiert hat, berichten von hohen Preisen und anderen Ärgernissen mit dem Kaufmann.

Bezahlen können die Gefangenen mit ihrem Monatslohn. In den Gefängnissen herrscht Arbeitspflicht, pro Arbeitstag gibt es aber beispielsweise in Hessen je nach Vergütungsstufe nur 10,32 Euro bis 17,20 Euro. Selbst bei einer 40-Stunden-Woche erhalten sie am Ende des Monats also nur eine mickrige Summe von 200 bis 350 Euro. Wer nicht arbeiten kann, erhält ein Taschengeld. Das liegt in Hessen bei 30 Euro im Monat.

Die meisten Leiter von Justizvollzugsanstalten, mit denen das »nd« gesprochen hat, räumen ein, dass die Preise tendenziell höher sind als außerhalb der Mauern. Die JVA in Bielefeld-Brachwerde verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm. Demnach dürfen die Preise bis zu 20 Prozent über denen außerhalb des Gefängnisses liegen. »Unsere Überprüfung ergab beim letzten Preisvergleich eine mittlere Abweichung von 0,59 % nach oben.« Im Mittel kann aber heißen, dass einige Produkte weit teurer sind, während die meisten das gleiche kosten.

»Signifikante Abweichungen« will kaum eine Anstalt festgestellt haben. Die Begründungen für die höheren Preise lauten teils wortgleich: Für die Belieferung von Gefangenen gelten besonders hohe Sicherheitsanforderungen und eine besondere Logistik. Auch sei der Personalaufwand hoch.

Welche höheren Sicherheitsanforderungen bestehen, erklärt beispielsweise die JVA Ludwigshafen dem »nd« so: Jeder Gegenstand müsse darauf überprüft werden, dass er keinen Alkohol enthalte und keine ätzenden Inhaltsstoffe, auch dürfe es keine andere »Möglichkeit einer missbräuchlichen Nutzung« geben, beispielsweise, dass Waren als Versteck für andere Dinge dienen. In Zeitungsartikeln über Massak heißt es, auch Waren wie Hefe, die beispielsweise zur Herstellung von Alkohol genutzt werden könnten, dürften nicht verkauft werden. Zudem bräuchten alle Mitarbeiter polizeiliche Führungszeugnisse, alle Lkw müssten verplombt werden, damit niemand nachträglich etwas hineinschmuggeln könne.

Zur Logistik heißt es aus der JVA Wittlich, die Lieferung erfolge »quasi an die Haftraumtür«, was vergleichbar sei mit Lieferanten wie Hello Fresh, die sich auch Liefergebühren zahlen ließen.

Der Sprecher einer anderen Haftanstalt schreibt: »Die hiesigen Gefangenen scheinen mit dem Vertragskaufmann sowie der Abwicklung des Einkaufs insgesamt durchaus zufrieden zu sein. Nennenswerte, geschweige denn berechtigte, Beschwerden in diesem Zusammenhang sind mir nicht bekannt.« Und der Leiter einer weiteren JVA sagt: »Die Gefangenen beklagen sich immer.«

Doch es gibt auch Haftanstalten, die selbst unzufrieden sind mit den höheren Preisen. Ein Sprecher der JVA Ludwigshafen beispielsweise schreibt dem »nd«: »Der fehlende Wettbewerb unter den Kaufleuten für Inhaftierte wird hier durchaus kritisch gesehen.« Man suche das Gespräch mit der Interessenvertretung der Gefangenen und der Firma Massak, »um zu ergründen, worauf eine evtl. erhöhte Preisdiskrepanz beruht oder diese zu mindern«. Teils könnten die Gefangenen auch bei anderen Lieferanten bestellen, die Produkte günstiger anbieten.

300 Prozent Preisaufschlag

Das »nd« hat selbst Preise verglichen - mit denen von Edeka-Geschäften, da Massak Filialen dieser Supermarktkette führt. Nicht immer ist der Vergleich einfach, viele Produkte haben sehr allgemeine Namen, welche Marke dahinter steckt, ist oft nicht bekannt. Viele Produkte auf den Bestelllisten von JVA kosten genau das Gleiche wie im Supermarkt. Doch einige Preise sind in den JVA wesentlich höher. Eine Auswahl: Eine Zitronenlimonade war 89 Prozent teurer, ein Stück Käse 70 Prozent und Fleisch 26 Prozent. Das ist schon »signifikant«. In den Preisvergleichen von Stefan Walter zeigen sich sogar Aufschläge von 130 Prozent bei Honig oder 300 Prozent bei Gewürzen. Da die entsprechenden Bestelllisten mit den von Massak ausgewiesenen Preisen dem »nd« nicht vorliegen, konnte dies nicht geprüft werden.

Was verwundert: dass nicht einfach alle Produkte um die gerichtlich anerkannten 20 Prozent teurer sind, sondern die meisten das gleiche kosten wie in regulären Supermärkten und einzelne Produkte zu ganz unterschiedlichen Prozentsätzen abweichen.

Massak selbst begründet die höheren Preise gegenüber der JVA Werl in einer Stellungnahme, die dem »nd« vorliegt, unter anderem damit, dass in regulären Supermärkten viel mehr Produkte angeboten werden. Durch Mischkalkulation könnten dort daher bestimmte Produkte wesentlich günstiger angeboten werden. In den Gefängnissen hätten Tabak, Zigarren und Zigaretten einen Umsatzanteil zwischen 32 und 50 Prozent, in stationären Supermärkten seien es nur 3 Prozent. »Es ist bekannt, dass bei diesen Warengruppen keine hohen Margen zu erzielen sind«, schreibt Massak. Die will das Unternehmen offenbar über andere Produkte erzielen.

Die sächsische Linken-Politikerin Juliane Nagel weiß aus einer Sitzung mit dem Anstaltsbeirat der JVA Leipzig, »dass für diese Justizvollzugsanstalt die meistverkauften Produkte jedenfalls nicht Tabak, Zigaretten und Kaffee sind«. Sie hat gemeinsam mit der Linksfraktion des Landtages mehrere Kleine Anfragen zum Thema Anstaltskaufmann gestellt. Und auch zu diesem Thema nachgehakt. Doch Massak bleibt nach Angaben des sächsischen Justizministeriums bei der Aussage. In einer der Antwort auf die Kleine Anfrage angefügten Übersicht für die Jahre 2018 bis 2021 variieren lediglich die Sorten.

Auch die Dresdener Anwältin Jessika Gruno hat sich damit befasst, welche Produkte in den Gefängnissen am häufigsten verkauft werden. Ganz oben im Verkaufsrang stehe Mineralwasser, mit einem Preisaufschlag von 70 Prozent gegenüber regulären Supermärkten. Massak müsse das wissen, meint Gruno, da in jedem Gefängnis Hitlisten der meistverkauften Produkte geführt würden - die rücken aber weder die Gefängnisse noch Massak heraus.

Gruno vertritt einen Mandanten in einem sächsischen Gefängnis. Die Klage gegen die JVA-Leitung wegen hoher Preise bei Massak ist von Anfang dieses Jahres und liegt dem Landgericht Chemnitz vor. Ein Urteil ist noch nicht gefallen.

Norbert Konrad überzeugen die Argumente für die höheren Preise nicht. Auch Supermärkte müssen beliefert werden, auch dort gebe es nicht überall das gleiche Angebot. In die Regale komme, was bei den Kunden gut laufe - ähnlich wie in den Gefängnissen. Die Überprüfung der Waren müsse nur einmal erfolgen und nicht bei jeder Bestellung aufs Neue. In den Haftanstalten müsse Massak in der Regel keine Miete zahlen, was einiges an Ausgaben spare. Und schließlich habe er in den JVA ein Monopol und regelmäßige Abnehmer, die nicht zur Konkurrenz gehen könnten. Praktisch paradiesische Zustände.

»Preise entsprechen dem Einzelhandel«

Aus den Kleinen Anfragen der Linksfraktion zum Themenkomplex lässt sich ablesen, dass neun von zehn Haftanstalten in Sachsen von Massak beliefert werden. Nur in Regis-Breitingen beziehen die Gefangenen ihre Waren von einem örtlichen Edeka. Preisvergleiche finden den Angaben zufolge in den sächsischen JVA jährlich statt. Die dafür geltenden Standards lauten: »Es ist sichergestellt, dass die Preise im Wesentlichen denen des örtlichen Einzelhandels entsprechen.« Doch allein der Preisvergleich, den das »nd« durchgeführt hat, widerlegt diese Aussage.

Zwei JVA gewähren ausschließlich einen sogenannten Sichteinkauf, also eine Art Haftladen. In vier kann nur bestellt werden, die übrigen bieten beides an - bei unterschiedlichen Händlern. Dennoch vermieten neun von zehn Haftanstalten in Sachsen Flächen an die Kaufmänner. Wozu, das beantwortet das sächsische Justizministerium auf nd-Anfrage nur knapp: »Die Flächen werden vom Anbieter des Gefangeneneinkaufs als Lager- bzw. Zwischenlagerraum für Ware und Leergut genutzt.«

Juliane Nagel fragt in der Serie Kleiner Anfragen zum Thema Anstaltskaufmänner auch, ob und wo Flächen an Anstaltskaufmänner vermietet werden und ob die JVA an Umsätzen beteiligt werden. Nagel verweist darauf, dass es nach herrschender juristischer Meinung unzulässig ist, dass die Justizbehörden - zulasten von Gefangenen - Miete verlangen, und zitiert einen juristischen Kommentar: »weil sich die Anstalt so die von ihr dem Gefangenen kostenlos geschuldete Vermittlung von den Insassen bezahlen lässt«. Soll heißen: Die JVA sind gesetzlich verpflichtet, den Gefangenen den Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs zu ermöglichen - und zwar kostenlos. Sie können selbst einen Laden eröffnen oder aber einen Kaufmann beauftragen, also eine Dienstleistung vermitteln. Doch wenn eine JVA eine Fläche an Anstaltskaufmänner vermietet und sich am Umsatz beteiligen lässt, dann lässt sie sich - so der Kommentar - diese Vermittlung bezahlen. Was unzulässig sei.

In Sachsen jedoch geht das Geld für die Miete und die Erlöse aus der Umsatzbeteiligung nicht an die JVA direkt, sondern an das Sächsische Immobilen und Baumanagement SIB, einen Staatsbetrieb. Für das Justizministerium ist das Problem damit vom Tisch. In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage heißt es lediglich: »Die Umlegung von Kosten, zum Beispiel von Verwaltungskosten, Lagerkosten, Bereitstellungskosten, Raummieten, Pachten oder Personalkosten erfolgt in jedem Handelsunternehmen und entspricht den allgemeinen Lebensverhältnissen außerhalb des Strafvollzugs.« Nagel sieht die Argumentation kritisch, erledigt ist das Thema damit für sie nicht.

Ob Sachsen das einzige Bundesland ist, das Miete von Anstaltskaufmännern nimmt, ließ sich nicht klären. In Hamburg und den meisten Haftanstalten in NRW, die sich dazu äußerten, gibt es weder Miete noch Umsatzbeteiligung. Doch die Justizministerien und Anstalten der anderen Bundesländer haben die Frage nicht beantwortet.

Neben »Wucherpreisen« gibt es noch andere Vorwürfe gegen den Quasimonopolisten Massak. Gefangene, mit denen »nd« korrespondiert hat, sagen, Massak liefere minderwertige Ware, das Obst und Gemüse halte nicht lange, Brot komme teils verschimmelt an, immer wieder werde der falsche Joghurt, das falsche Haarfärbemittel geliefert. Einer macht sich gesundheitliche Sorgen, weil in den Lieferkörben Weichspüler neben Obst liege. Teils soll gebrauchte Ware anstelle von neuer geliefert worden sein, ohne dass dies bei der Bestellung entsprechend angegeben worden sei. Preise würden zum Dezember hin anziehen und im Januar wieder sinken. All diese Vorwürfe konnte »nd« nicht überprüfen. Manche Gefangene geben an, dass Massak bei berechtigter Klage und Reklamation das Geld erstatte.

Kaum Mitbewerber

Nagel berichtet im Gespräch mit dem »nd«, dass die Anstalten teils mit Massak zusammenarbeiten, weil sie keine Alternative haben. In der JVA Leipzig beispielsweise habe es bei der letzten Ausschreibung keine Mitbewerber gegeben. Das deckt sich mit Aussagen mehrerer Gefängnissprecher in NRW, von denen viele dem »nd« berichteten, sie hätten teils selbst örtliche Kaufleute aufgefordert, sich zu bewerben, diese hätten das aber nicht gemacht oder ihr Angebot wieder zurückgezogen.

»Unterm Strich ist es eine Geldfrage«, sagt Juliane Nagel. »Auch wenn es Mitbewerbende geben sollte, ginge der Zuschlag vermutlich an Massak.« Der habe, so sagten es die meisten JVA dem »nd«, »das wirtschaftlichste Angebot« abgegeben - wenn es denn Mitbewerber gab. Die Antwort ist nicht verwunderlich, schließlich sind die Behörden verpflichtet, bei einer Ausschreibung das »wirtschaftlichste Angebot« auszuwählen. »Wirtschaftlich« für die JVA muss aber nicht unbedingt »wirtschaftlich« für die Gefangenen bedeuten: Massak kann das für die JVA kostengünstigste Angebot abgegeben haben, die Preise für die Gefangenen können dennoch höher sein als bei anderen Anbietern.

Hoch, höher, angemessen - das will das Landgericht Arnsberg nun klären. Eine Sprecherin erklärte zum Stand der Klage von Norbert Konrad Anfang August: Der zuständige Richter wolle sich vor dem Urteil mit der Kammer beraten. Der Grund: die grundsätzliche Bedeutung der Frage. Das heißt: Wenn das Landgericht Arnsberg Konrad recht gibt, dann würde das Urteil zwar zunächst nur für ihn gelten. Aber alle anderen Gefangenen könnten sich anschließend darauf berufen.

Am 20. Oktober gibt es einen neuen Stand. Der zuständige Richter will einen Sachverständigen hinzuziehen. Der soll zum einen herausfinden, wie Massak seine Preise gestaltet, ob und in welchem Maße die Preise von den üblichen abweichen. Zum anderen soll er eine Aussage darüber treffen, welcher der richtige »Vergleichsmaßstab« ist: der Versandhandel oder stationäre Supermärkte. Nun müssen Norbert Konrad und die JVA Arnsberg Stellung beziehen, ob sie dem zustimmen. Denn die Kosten muss letzten Endes die klagende Partei tragen.

Bis eine Entscheidung getroffen sein wird, dauert es also noch. Es lohnt aber, sie im Blick zu behalten: In Arnsberg wird die Zukunft des Gefangeneneinkaufs entschieden.

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