Eine Zukunft für die Arbeit gegen rechts

Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum wird 30 Jahre alt und ist so wichtig wie nie zuvor

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast eine ganze Etage füllen die Unmengen an Zeitungen, Akten, Büchern, aber auch Flugblättern, Wahlwerbung und anderen Exponaten. In meterhohen Regalen, die bis zur Decke der ehemaligen Fabrikräume in der Lausitzer Straße 10 in Kreuzberg reichen, befindet sich mit dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (Apabiz) das umfangreichste öffentlich zugängliche Facharchiv zu Entwicklungen, Inhalten, Akteuren und Politik der extremen Rechten nach 1945.

Im Jahr 1991 sind die damals noch komplett ehrenamtlich Engagierten hier mit der seitdem stetig wachsenden Sammlung eingezogen, mittlerweile wird diese von knapp zehn Teilzeit-Beschäftigten betreut und gepflegt. Sie sind auch zuständig für die Bildungsarbeit, die das Apabiz allen anbietet, die sich mit der extremen Rechten befassen wollen - zum Beispiel seit vielen Jahren Pädagog*innen im Rahmen von »Schule ohne Rassismus«. Die Liste der Themen, zu denen in diesem Zusammenhang Vorträge angeboten werden, ist lang - so wie auch die inhaltliche und gesellschaftliche Bandbreite von Rechtsextremismus wächst, ob man rechte Strukturen im Fußball oder in Vertriebenenverbänden, rechten Frauenhass oder rechte Kleidungscodes und Musik betrachtet.

Auch wer sich über Analysen zu militanten Neonazis und Rechtsterroristen, extrem rechten Parteien, Kameradschaften, organisierten Rassisten, aber auch Nischenorganisationen wie völkische Germanengläubige oder die sogenannte Lebensschutz-Bewegung informieren möchte, ist beim Apabiz richtig. Sowohl der Newsletter »Monitor« als auch der jährlich zusammen mit der Mobilen Beratung gegen Rechts herausgegebene Berliner Schattenbericht sind hier zu finden, mobile Ausstellungen können geliehen werden.

»Zu uns kann jeder kommen, der gegen die extreme Rechte arbeiten will«, sagt Kilian Behrens vom Archiv zu »nd«, auch wenn wegen der andauernden Corona-Pandemie derzeit nur nach telefonischer Absprache oder per E-Mail Besuchszeiten vereinbart werden können. Ansonsten gilt: Wer privat, journalistisch oder immer mehr auch wissenschaftlich recherchieren will, ist willkommen.

Die Anfragen kommen bei Weitem nicht nur aus Berlin, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem Ausland. Auch die Zuarbeit vieler, die helfen wollen, das Archiv zu erweitern, kommt von überallher, erklärt Behrens. »Nur wir allein hätten dies alles ja gar nicht aufbauen können«, sagt er. Zumal man nicht zur eigenen Bewegung sammele, sondern zu der, die politisch am weitesten entfernt liegt. Das Archiv sei daher angewiesen auf all die Menschen, die rechtsextreme Wahlwerbung aus ihren Briefkästen klauben oder Aufkleber von Laternenpfählen kratzen, rassistische oder verschwörungstheoretische Initiativen im Internet oder auf der Straße nicht ignorieren, sondern deren Menschenfeindlichkeit und die davon ausgehenden Gefahren aktiv bekämpfen wollen und deshalb ihre Beobachtungen und Materialien teilen und dem Apabiz zur Verfügung stellen.

Damit das auch künftig so bleibt, haben Behrens und seine Mitstreiter*innen die Kampagne »Auf Dauer gegen rechts« gestartet. Mit deren Hilfe sollen sowohl aktuelle finanzielle Herausforderungen für das Archiv bewältigt als auch langfristig abgesichert werden, dass das Apabiz unabhängig von staatlicher Förderung seinen Betrieb aufrechterhalten kann. Zunächst einmal sieht der »Lause« genannte Gebäudekomplex in der Lausitzer Straße jedoch einer umfangreichen Renovierung entgegen, nachdem es gelungen ist, die Luxusmodernisierung durch einen dänischen Investor zu verhindern und gemeinsam mit einer extra gegründeten Genossenschaft und dem Berliner Senat den Wohn- und Gewerbehof langfristig für seine Bewohner*innen und Nutzer*innen zu sichern (»nd« berichtete).

Auch die Räume des Apabiz müssen im Zuge dessen umgebaut werden, was gut wäre für den Bestand: »Für ein Archiv ist es hier eigentlich zu hell, im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt, an manchen Stellen regnet es rein«, erklärt Behrens.

Der Bedarf ist da - die Mittel sind es nicht unbedingt. Auch die alltäglich anfallende Arbeit in Form von Bürozeiten sowie die Beantwortung zahlreicher Anfragen, schlichtweg also die Aufrechterhaltung der Zugänglichkeit des Archivs, ist nicht immer gedeckt. »Wir werden wertgeschätzt und anerkannt, und darüber freuen wir uns«, sagt der Archiv-Mitarbeiter auf die Frage zur sonstigen Finanzierung. Das Landesprogramm gegen Rechts gewährleiste mit den zur Verfügung gestellten Projektmitteln jedes Jahr erneut die Umsetzung von Ideen und Vorhaben. Zur aufwendigen Beantragung der Gelder komme allerdings auch immer öfter der Druck von rechts, so wie durch die AfD. Diese versucht regelmäßig, von ihr als »linksextremistisch« gebrandmarkte zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich explizit antifaschistisch positionieren, zu diffamieren und dafür zu sorgen, dass diesen öffentliche Mittel entzogen werden. Wie das aussieht, kann man außerhalb Berlins, in Regionen, in denen die AfD ihre politische Kraft gefestigt hat und teilweise auch Allianzen mit der konservativen CDU eingeht, immer öfter beobachten.

»Auch solchen Entwicklungen wollen wir mit unserer Kampagne vorgreifen«, erklärt Kilian Behrens. Jeder Spendenbetrag trage natürlich einen Teil dazu bei. Aber auch das generelle Ziel von 200 Dauerspender*innen, die einen Mindestbetrag von 10 Euro monatlich für die Sicherung des Archivs bereitstellen, scheint nicht zu hoch gegriffen.

auf-dauer.apabiz.de

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