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Immer die richtige Entscheidung

Der Berliner Basketballer Franz Wagner beeindruckt in seiner NBA-Debütsaison

Was Franz Wagner 3:40 Minuten vor Ende des NBA-Spiels zwischen den Orlando Magic und den Minnesota Timberwolves veranstaltet, nennen Basketballfans am liebsten »Posterizing«. Am Montagabend springt er zum Dunking in Richtung des 3,05 Meter hoch hängenden Korbs. Dabei wird er jedoch von Minnesotas Verteidigern Jarred Vanderbilt und Karl-Anthony Towns angegriffen. Der eine stößt dem 20-jährigen gebürtigen Berliner den Ellenbogen in die Rippen, während der andere ihm von hinten auf den Kopf schlägt. Eigentlich hätten die Schiedsrichter hier gleich zwei Fouls erkennen müssen, doch ihre Pfeifen blieben stumm. Dafür werden Wagners Teamkollegen schlagartig laut, denn ihm sind die Fouls vollkommen egal. Er stopft den Ball trotzdem in den Korb und nimmt dabei seine beiden Gegner sprichwörtlich mit aufs Poster.

Zu dumm nur, dass in diesem Moment offenbar kein Fotograf in der Halle auf den Auslöser drückt, denn auch am Tag danach findet sich kein Bild von der Aktion im Netz. Wie hätten sie auch damit rechnen sollen. Für das Spektakuläre ist in der Wagner-Familie der vier Jahre ältere Bruder Moritz Wagner zuständig, der ebenfalls in Orlando spielt und beim Anblick seines Bruders so weit von der Auswechselbank aufs Feld springt, dass ihn die Mitspieler festhalten und zurückziehen müssen. Wenn auch ein Foto fehlt, das Video des Dunks macht schnell die Runde, ebenso die Kabinenfeier, bei der Franz Wagner von den Teamkollegen mit Wasser überschüttet wird. Später findet er sich in der Liste der besten zehn NBA-Aktionen vom Montag auf Platz eins wieder. »Ich habe in meinem Leben schon mal gedunkt. Aber so noch nie«, sagt er später den Journalisten. »Ich habe nur noch einen Verteidiger vor mir gesehen, also bin ich so hoch wie möglich gesprungen.«

Das Spiel gewann Orlando mit 115:97. Es ist der zweite Sieg im achten Spiel dieser Saison, die für Franz Wagner die erste in der besten Liga der Welt ist. Neulinge haben es oft schwer, Spielzeit zu bekommen. Wagner aber nicht. Er stand bislang immer in Orlandos Startformation, Bruder Moritz nie. Letzterer steht im Schnitt 12 Minuten auf dem Feld, Franz 32. Nur drei NBA-Neulinge bekommen noch etwas mehr. Mit gut 15 Punkten pro Spiel steht er sogar auf Rang drei dieser Liste. Am Montagabend sammelt er 28 Punkte, nur einen weniger als beim besten Spiel eines Deutschen in seinem ersten NBA-Jahr. Der Rekordhalter heißt Dirk Nowitzki. Und auch wenn von Wagner keine so große Karriere erwartet werden darf, ist er doch jetzt schon ein wichtiger Bestandteil seines Teams.

»So ungewöhnlich ist das gar nicht. Wenn ein Spieler an Nummer Acht im Draft verpflichtet wird wie er, investiert das Team viel in ihn. Also gibt man ihm schnell Gelegenheit sich zu beweisen«, erläutert Himar Ojeda im nd-Gespräch. Der Spanier beobachtet Franz Wagner ganz genau, schließlich war er bis 2019 noch sein Sportdirektor bei Alba Berlin. »Nutzt der Spieler die Chance aber nicht, kann er auch schnell auf der Bank versauern. Franz wird aber beweisen, dass er dieses Investment wert war.«

Schon bei Alba bekam Wagner viel Vertrauen geschenkt. Er wurde in engen Situationen eingesetzt, durfte wichtige Würfe nehmen. Mit 17 stand er im Eurocup-Finale in Berlins Startaufstellung. »Wir haben sein Potenzial gesehen und wussten auch, dass sein Weg in die NBA führen kann«, erinnert sich Ojeda, der Wagner nur gern noch etwas länger auf dem Weg dahin begleitet hätte. Der aber folgte dem Weg seines Bruders: übers College an der Michigan University auf die größte Basketballbühne der Welt. Auch die Wolverines erkannten das Talent des jüngeren Wagners: In all seinen 55 Partien am College stand er von Beginn an auf dem Parkett und punktete im Schnitt zweistellig. Michigan hätte ihn ebenfalls gern länger behalten, doch die Anrufe von NBA-Scouts häuften sich, also wagte Wagner den frühen Absprung und bestätigt nun, dass auch diese Entscheidung richtig war.

Auf dem Feld ist genau das die große Stärke des Berliners. »Er hat bei uns nicht nur die Basketballtechnik gelernt, sondern auch ein großes Verständnis für alle möglichen Situationen entwickelt. Er liest das Spiel, weiß, wann er zum Korb ziehen muss, wie er anderen Platz schafft, welche Würfe effizient sind und wann er besser passen sollte«, schwärmt Ojeda. Diese Fähigkeiten sind nicht unbedingt die eines Superstars, aber doch die Zutaten für eine erfolgreiche Karriere, denn darauf achten Trainer und Manager. »Es ist schön, dass er mal mit so einem Dunking auf sich aufmerksam macht; vor allem für die Fans. Aber Franz braucht das nicht, denn die Teams wollen Spieler, die solide abliefern«, sagt Ojeda. Und das tue Wagner - immer.

Dass er sich in der NBA durchsetzen wird, bezweifelt Albas Sportdirektor nicht eine Sekunde: »Es gibt viele Jungs, bei denen Talent nicht ausreicht. Sie sind darauf angewiesen, im richtigen Moment auf die richtigen Leute zu treffen. Aber Franz steht noch mal eine Stufe über den anderen. Er ist besonders. Das werden sie in der NBA noch merken.« Ojeda vergleicht Wagner sogar mit Manu Ginobili, dem argentinischen Olympiasieger von 2004, der in San Antonio als wichtiger Rollenspieler vier NBA-Meistertitel gewann.

Bei Bruder Moritz ist die Zuversicht nicht ganz so hoch. Der 24-Jährige wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von Team zu weitergeschoben. »Ich wünsche ihm, dass er den Durchbruch schafft. Er hat alle Voraussetzungen, den Fleiß und den Drang dazu. Dafür sollte er endlich belohnt werden«, hofft Ojeda. »Aber so läuft das NBA-Geschäft nicht immer. Sollte er das Vertrauen also nicht bekommen und dann doch irgendwann nach Europa zurückkehren, würde ich ihn natürlich gern in der Euroleague sehen - am liebsten bei uns im Alba-Trikot.«

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