Stadtgrün statt Versiegelung

Der neue Senat muss sich besser um Berlins Parks und Klimaschutz kümmern, fordert ein Bündnis

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlins Grünflächen leiden unter mangelnder Pflege, schwindender Artenvielfalt und stetiger Übernutzung. Es gebe zu wenige wohnungsnahe Grünanlagen für alle Berliner*innen und zu wenige Schutzgebiete, heißt es in einem offenen Brief, mit dem sich ein Bündnis von neun Berliner Verbänden aus Naturschutz, Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau am Montag an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und Linke gewandt haben. Sie fordern von der zukünftigen Regierung eine zügige Umsetzung der Charta für das Berliner Stadtgrün und eine Reform der Landesbauordnung.

Nachdem die Charta in einem zweijährigen Beteiligungsprozess mit Verbänden und Zivilgesellschaft formuliert und im Senat sowie im Rat der Bürgermeister bereits 2020 beschlossen wurde, »waren wir sehr enttäuscht, dass das Abgeordnetenhaus die Charta vor den Wahlen nicht verabschiedet hat«, sagt Eike Richter, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten von Berlin-Brandenburg.

Kann Berlin Paris? Zu vage, ein schwacher Auftakt bis hin zu »Zerstörungskurs«: Klimainitiativen üben harte Kritik am rot-grün-roten Sondierungspapier

Eine wachsende Stadt müsse sich »ökologisch weiterentwickeln«, fordert Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des Berliner Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). »Die aufziehende Klimakrise wird es nicht leichter machen, jede Verzögerung wird Berlin mit noch mehr Problemstellungen bezahlen müssen«, so Heuser.

Schon jetzt verliere Berlin jährlich mehr als 1000 Straßenbäume aufgrund von Hitze, Trockenheit oder Nitrat-Belastung. »Wir brauchen im Berliner Haushalt zweckgebundene und auskömmliche Mittel für Instandhaltung und Pflege«, fordert die Präsidentin der Berliner Architektenkammer, Theresa Keilhacker. Die Charta enthalte unter anderem die Verpflichtung jedes Bauantrags zu Freiflächenplänen, und dementsprechend solle auch die Landesbauordnung reformiert werden. Denn »eine zunehmende Verdichtung ohne ausreichend Grünversorgung wird nur noch mehr Probleme bereiten«, heißt es in dem offenen Brief, der »nd« vorliegt. Demnach sei es eine der Errungenschaften einer sozialen Stadt, dass die bauliche Entwicklung Hand in Hand mit Freiflächen geplant werde, auch um Wetterextreme wie Trockenheit und Starkregen auszugleichen – letztere würden die Feuerwehr bereits zunehmend an ihre Grenzen bringen.

Mission Bauwende. Theresa Keilhacker setzt als neue Präsidentin der Architektenkammer auf einen behutsamen Umgang mit Ressourcen

Mit der Charta würde sich das Land Berlin außerdem dazu verpflichten, seine Grünflächen besser zu pflegen, damit sie auch bei Dürre und intensiver Nutzung in einem guten Zustand bleiben. »Nur so können sie ihre Wirkung für die Verbesserung des Stadtklimas und die Erholung im Freien entfalten«, betont Philipp Sattler, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur Berlin-Brandenburg. Gerade die Corona-Pandemie habe »deutlich gezeigt, wie wichtig Grünflächen für die physische und psychische Gesundheit sind«, schreiben die Bündnispartner*innen.

Zum Schutz der Freiflächen setzt sich die Architektenkammer außerdem dafür ein, bestehende Gebäude ressourcenschonend zu sanieren oder aufzustocken, bevor neue Bauflächen ausgewiesen werden. Dieselbe Forderung hat die Gruppe Architects for Future Berlin Anfang November ebenfalls in einem offenen Brief an die Koalitionsverhandelnden formuliert. »Der Nutzung von bestehenden Räumen muss Priorität vor Neubau haben, Leerstand verringert, Umnutzung kreativ ermöglicht werden«, so steht es in dem Papier. Demnach habe Berlin großes Potenzial für Nachverdichtung zum Beispiel durch Dachaufstockungen oder die Umnutzung von Gewerbeflächen. Außerdem fordern die Architects for Future, dass zukünftig keine funktionsfähigen Gebäude in der Hauptstadt mehr abgerissen, die Rate energetischer Sanierungen drastisch erhöht und mehr nachwachsende Baustoffe wie Holz verwendet werden.

Stadtgrün entzweit Koalition. Ausschuss vertagt Entscheidung zu Kleingartenentwicklungsplan

Das Bündnis zur Stadtgrün-Charta erwartet von den zukünftigen Regierungsparteien, »dass spätestens im nächsten Jahr ein Gesetzentwurf zur Sicherung des Berliner Stadtgrüns vorgelegt wird und Maßnahmen für eine konkrete Entsiegelungskampagne beschlossen werden«, erklärt Uwe Hiksch, stellvertretender Landesvorsitzender der Naturfreunde Berlin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal