Zur energetischen Sanierung verpflichten

Milieuschutzgebiete blockieren bislang den Klimaschutz - doch das muss nicht so sein

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

72 Milieuschutzgebiete gibt es zurzeit in Berlin, die die Infrastruktur an bezahlbaren Mietwohnungen sicherstellen sollen. Das Problem dabei ist: »Milieuschutz ist eine totale Blockade für den Klimaschutz«, sagt Julika Weiß vom Forschungsfeld Nachhaltige Energiewirtschaft und Klimaschutz am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) am Mittwoch. Sie ist Mitdiskutantin in der Onlinerunde »Wärmewende sozialverträglich gestalten« im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe »Wandelwecker Berlin«.

Darin ging es um die Frage, wie die Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien und der Wärmedämmung aller Gebäude in der Hauptstadt mit Regelungen zum Schutz von Mieter*innen unter einen Hut gebracht werden können. In Milieuschutzgebieten dürfen laut Weiß bislang keine energetischen Sanierungen vorgenommen werden, die über den Mindeststandard des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hinausgehen. Das bedeute, dass zum Beispiel der Austausch von klimaschädlichen Gasetagenheizungen nicht so leicht genehmigt wird.

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Das bestätigt auch Jörg Zander vom Umwelt- und Naturschutzamt Charlottenburg-Wilmersdorf. In der Mierendorff-Insel, Charlottenburgs ältestem Milieuschutzgebiet, sei bislang nur eines von mehr als 300 Häusern energetisch saniert. »Das Instrument der sozialen Erhaltung hat keine Wärmewende vorgesehen. So ist das erst mal ein Kontroll- und Verbotsinstrument«, sagt er. Eine Umfrage unter den 30 Teilnehmer*innen verdeutlicht das Problem: Fast die Hälfte von ihnen lebt in einem Milieuschutzgebiet und 41 Prozent geben an, mit Gas zu heizen. Gerade Gasetagenheizungen seien »eine deutliche Modernisierungsfalle«, und in Miethäusern mit mehreren Dutzend Eigentümer*innen sei es nicht einfach, einen gemeinsamen Termin für einen Heizungswechsel zu finden, so Zander.

Eigentlich soll der Milieuschutz verhindern, dass Eigentümer*innen die Kosten energetischer Sanierung auf Mieter*innen umlegen. Theoretisch könnte diese auch durch Fördergelder finanziert und die Warmmiete langfristig gesenkt werden, weil sie dann nicht mehr von steigenden Gaspreisen abhängig wäre. »Aber da Vermieter bislang nicht verpflichtet sind, Förderungen anzunehmen, geht es in der Praxis oft mit einer Umlegung oder mit Luxussanierungen einher«, sagt Weiß. Milieuschutzgebiete böten sich jedoch dafür an, das zu ändern, indem »Eigentümer unter Einbezug der Fördermittel zu energetischen Sanierungen verpflichtet werden«, so ihr Lösungsansatz.

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Laut Jörg Zander gebe es in Charlottenburg-Wilmersdorf auch bei den Kolleg*innen vom Milieuschutz grundsätzlich »eine große Bereitschaft, solche Sachen anzuwenden«. Die institutionelle Trennung stelle dabei mitunter eine Schwierigkeit dar: Der Milieuschutz ist beim Stadtentwicklungsamt angesiedelt und der Klimaschutz beim Umwelt- und Naturschutzamt.

Fördermöglichkeiten allein reichen nach Meinung von Julia Weiß jedenfalls nicht aus, um die notwendigen Sanierungen für mehr Klimaschutz voranzutreiben. »Wir brauchen mehr Ordnungsrecht mit Verpflichtungen«, sagt sie. Auch Zander wünscht sich von der neuen Berliner Regierung, dass »Sanierungen im Bestand von Eigentümern verbindlich eingefordert« werden. Weiß ergänzt, dass in Neubauten »nur noch in Ausnahmefällen« Gaskessel eingebaut werden dürften. Sonst werde es schwierig mit dem Klimaschutz in der Hauptstadt.

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