Das Sturmgewehr in der Gitarrentasche

Im Prozess gegen den terrorverdächtigen Bundeswehr-Soldaten beteuern der Angeklagte und ein Waffenhändler ihre Unschuld

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt/Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Franco A., der terrorverdächtige Bundeswehroffizier aus Offenbach, kam weit herum in jener Sommerwoche. Am 22. Juli 2016 fotografierte er Autos in der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin. Um ein mögliches Ziel für einen rechten Anschlag auszuspionieren, glaubt die Bundesanwaltschaft, die den 32-Jährigen wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt hat. Franco A. beteuert hingegen, er habe nur reden wollen, mit der Stiftungsvorsitzenden Anetta Kahane.

Nur drei Tage später besuchte Franco A. einen befreundeten Waffenhändler im bayrischen Vohenstrauß und übte bei ihm das Schießen mit seinem Sturmgewehr, das er zuvor mit einem Zielfernrohr ausgestattet hatte und das er zur Tarnung in einer Gitarrentasche transportierte. Und noch einmal zwei Tage später kaufte er in einem weiteren Waffengeschäft in Bayern Ersatzteile, um zwei Waffen funktionsfähig zu machen, die er wie das Sturmgewehr illegal besaß. »Da könnte man«, sagt Senatsvorsitzender Christoph Koller am Donnerstag beim Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht, »auf die Idee kommen, dass das irgendetwas miteinander zu tun haben könnte.« Oder sei das alles nur ein Zufall?

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Es ist der 20. Verhandlungstag im Prozess gegen den Soldaten, dem die Anklage vorwirft, Mordanschläge auf bekannte Feindbilder der rechten Szene geplant und sich eigens dafür eine Tarnidentität als falscher Geflüchteter verschafft zu haben. Zugegeben hat Franco A. bislang lediglich, dass er mehr als ein Jahr lang ein Doppelleben als vermeintlicher Syrer geführt hat, allein zu Aufklärungszwecken, wie er behauptet, und dass er sich illegal mit Waffen und mit massenhaft Munition aus Bundeswehrbeständen ausgerüstet hat.

Auch als ihm nun seine wenig zufällig erscheinenden Reisen aus dem Juli 2016 vorgehalten werden, bleibt er bei seinen Unschuldsbeteuerungen. »Nein, da besteht kein Zusammenhang«, erklärt Franco A., »das können Sie mir glauben oder auch nicht.« Mit dem Glauben hat das Gericht allerdings so seine Schwierigkeiten, wie Richter Koller daraufhin nicht zum ersten Mal durchblicken lässt. »Sie sprechen ja gerne von den Hirngespinsten der Bundesanwaltschaft«, sagt der Senatsvorsitzende. »Aber die Anklage ist nicht unlogischer als das, was Sie bisher sagen.«

Der Waffenhändler aus Vohenstrauß, mit dem Franco A. auf dem Schießstand war, gehörte wie der Angeklagte dem Netzwerk aus Soldaten, Polizisten und Zivilisten an, das ein damaliger Offizier der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) alias »Hannibal« gestrickt hatte – vorgeblich aus Sorge vor einem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung, in Wahrheit aber wohl eher getrieben von rechten Umsturzfantasien. Er war wie Franco A. Mitglied in der Chatgruppe »Süd« des Netzwerks und trat dem von »Hannibal« gegründeten Verein »Uniter« bei. Dieser wird mittlerweile als rechtsextremer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet.

Im Zeugenstand versucht der 46-Jährige das am Donnerstag indes maximal weit herunterzuspielen. Die Telegram-Chats seien ihm »wie eine Preppergruppe« vorgekommen, sagt er. Mithin: ein bisschen seltsam vielleicht, aber harmlos. Mitglied geworden sei er ohnehin nur, weil er Werbung für sein Waffengeschäft habe machen wollen. Und dass er sich von Franco A. schon früh das »Uniter«-Abzeichen habe geben lassen, sei ohne jede tiefere Bedeutung: »Ich sammele Badges. Es hat mir gefallen, von der Optik.«

Das hatte zuvor selbst der Angeklagte noch anders dargestellt: Das Abzeichen mit dem auf der Spitze stehenden Schwert habe den Netzwerkmitgliedern im Ernstfall als Erkennungssymbol dienen sollen. Wer dann den »Uniter«-Badge an der Uniform trug, sollte in »Safe Houses« gebracht werden. Doch ob es diese sicheren Stützpunkte, von denen in den Chats so viel die Rede war, wirklich gegeben habe, nein, das wisse er gar nicht so genau.

Er sei froh gewesen, erklärt Franco A., dass er in der Telegram-Gruppe Gleichgesinnte gefunden habe, die wie er die Angst vor einem dritten Weltkrieg umgetrieben habe oder vor islamistischen »Schläfern«, die getarnt als Geflüchtete zu Tausenden ins Land kämen. Aber: »Von scharfen Waffen wurde definitiv nicht gesprochen«, weder im Chat noch bei persönlichen Treffen. Und von einem Umsturz erst recht nicht. Das Gericht verliest darauf die Nachricht eines »Matze« aus Nürnberg, dass »ausreichend Waffen und Munition vorhanden« seien, sowie die Antwort eines anderen Chatpartners, dass über so etwas nichts geschrieben werden solle. Franco A. sagt, er kenne diesen Matze nicht. Doch er sei sicher, dass er die Waffen legal besessen habe.

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