Motivation sinkt trotz Homeoffice

BKK-Gesundheitsreport: Starker Rückgang bei Kurzzeit-Krankschreibungen

Die Krankschreibungen im Jahr 2020 sind insgesamt um 15 Prozent zurückgegangen, so der Befund des aktuellen Gesundheitsreports des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK), der am Dienstag vorgestellt wurde. Dieser starke Rückgang bei den Fällen von Arbeitsunfähigkeit (AU) ist vor allem kurz anhaltenden, leichten Erkrankungen zu verdanken. Das spiegelt sich auch in den Zahlen zu einzelnen Gruppen von Krankheiten: Bei Atemwegsleiden waren es 22 Prozent weniger AU-Fälle, 17 Prozent weniger bei Erkrankungen des Verdauungssystems, jeweils 14,5 Prozent weniger bei Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie bei Vergiftungen und Unfällen.

Insgesamt haben sich die Fallzahlen bei schweren und länger dauernden Krankheiten nicht verändert. Die Daten basieren auf Krankmeldungen der Beschäftigten, die in Betriebskrankenkassen versichert sind. Das sind in 72 Einzelkassen insgesamt rund neun Millionen Versicherte. Die Mehrzahl dieser Kassen ist seit 1996 für alle gesetzlich Versicherten offen. Ähnlich wie bei anderen Erhebungen zum Thema fand auch die BKK besonders viele an Covid-19 Erkrankte unter den Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen. Die höhere Fallzahl trat bei Frauen auf, die dort in der Regel den höheren Anteil der Belegschaften bilden. Zugleich deutlich seltener betroffen waren Branchen, die entweder Homeoffice-fähig sind oder deren Beschäftigte in Kurzarbeit gingen. Kaum Corona-Krankschreibungen gab es unter jenen Berufsgruppen, die vor allem im Freien tätig sind.

Zu diesen Routinedaten aus dem Kassengeschäft lieferte der Report die Ergebnisse einer Befragung von 3000 beschäftigten Versicherten. Eine der gravierendsten Veränderungen des Arbeitslebens in der Pandemie betrifft die Durchsetzung des Homeoffice beziehungsweise des »mobilen Arbeitens«, wie es offiziell eher bezeichnet wird. 2017 waren erst 13 Prozent der Beschäftigten nicht am eigentlichen Arbeitsplatz im Unternehmen tätig, 2020 waren es schon 41 Prozent der Befragten. Hier konstatiert Franz Knieps vom BKK-Dachverband immer noch größere Vorbehalte bei Führungskräften und Arbeitgebern. Indessen sehen die Beschäftigten die Möglichkeit eher positiv: Ihre Produktivität hat sich teils verbessert, lange Wege zur Firma fallen weg, die moderne Technik, unter anderem mit Videokonferenzen, wird inzwischen beherrscht. Der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten sei gewachsen, resümiert Knieps.

Jedoch herrscht in den Unternehmen nicht eitel Sonnenschein, was die Pandemiebewältigung betrifft. Nicht einheitlich positiv ist die Einschätzung, was den Zusammenhalt der Belegschaften betrifft. Für ein Viertel der Befragten hat er abgenommen. Für fast 25 Prozent nahm er zu, der Rest sieht keine Veränderung. Bei der Frage nach der persönlichen Arbeitsmotivation zeigte sich ein drastischeres Bild: Für 26 Prozent ist sie in der Coronakrise gesunken, nur für 11,3 Prozent gestiegen. Dass Konflikte im Unternehmen zugenommen hätten, berichteten 17,4 Prozent. Der von vielen im Verlauf der Pandemie immer schlechter eingeschätzte eigene Gesundheitszustand ist ein weiteres Warnsignal: Unternehmen müssen auch selbst aktiv werden, um die Belegschaften gestärkt aus der Pandemie herauszubringen.

Für die Resilienz sei die Stärkung der betrieblichen Interessensvertretung unverzichtbar, erläutert Co-Autor Holger Pfaff. Der Versorgungsforscher schätzt ein, dass es insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten zwar mit einem Betriebsrat weniger schnelle Entscheidungen gebe - dafür sei deren Qualität aber besser.

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