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Die neuen Vorbilder
3:1 gewinnen die DFB-Kickerinnen in Portugal - ein perfekter Jahresabschluss
Es war Sara Däbritz und Melanie Leupolz nicht zu verdenken, dass die beiden Leistungsträgerinnen der deutschen Frauen-Nationalmannschaft kicherten wie Kinder vor der Bescherung. Aber die ulkigen Umstände der digitalen Pressekonferenz mit einem schwarzen Bildschirm bei einer instabilen Internetverbindung aus dem Estadio de São Luís in der Hafenstadt Faro und das überzeugende 3:1 gegen Portugal auf dem Weg zur WM 2023 in Australien und Neuseeland sorgten bei den beiden Mittelfeldspielerinnen für beste Laune. Sportlich war nach dem gelungenen Jahresabschluss ja alles im Lot: Kapitänin Däbritz, inzwischen bei Paris St. Germain heimisch, dirigiert das Team seit Monaten mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit; Kollegin Leupolz, beim FC Chelsea vom ersten Tag an hoch angesehen, erarbeitet sich allmählich im Nationaltrikot wieder den früheren Stellenwert.
Beide sind Teil einer stimmigen Gesamtkomposition, die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg als eine gute Mischung aus »Unbekümmertheit und totalem Leadership« beschreibt. Nun geht es mit »riesiger Vorfreude« (Däbritz) ins nächste Jahr. Ende Dezember, Anfang Januar will die Trainerin rund 30 Spielerinnen anrufen, um individuellen Verbesserungsbedarf auszumachen. »Als Mannschaften sehen wir Entwicklungsschritte«, sagte die 53-Jährige, die vor allem die junge Garde als Gewinnerin aus 2021 ausmacht. Jule Brand (19 Jahre), Lena Oberdorf (19) und Lena Lattwein (20), Klara Bühl (20) und die zurückgekehrte Giulia Gwinn (22) sind Hoffnungsträgerinnen sogar bis zur WM 2027, für die sich Deutschland als Ausrichter mitbewerben will. Doch erst einmal geht der Fokus auf die verschobene EM 2022 in England.
Den Frauen wird im Mutterland des Fußballs der rote Teppich ausgerollt. Das Eröffnungsspiel zwischen England und Österreich am 6. Juli im berühmten Old Trafford ist bereits ausverkauft. Die Begeisterung soll der achtfache Europameister Deutschland bei einem Einladungsturnier erleben, an dem vom 14. bis 24. Februar neben EM-Gastgeber England und Olympiasieger Kanada auch Deutschlands Gruppengegner Spanien teilnimmt. Voss-Tecklenburg negiert nicht, dass es sich dabei um die entscheidende Casting-Maßnahme für die EM handelt. Ihr Vorteil: Anders als noch vor der WM 2019 in Frankreich, als die neue Trainerin schlicht zu kurz im Amt war, um ihre Vorstellungen gegenüber den Spielerinnen, aber auch im eigenen Trainerteam durchgängig rüberzubringen, sind große Fortschritte gemacht. »Wichtig ist, dass wir wissen, wie wir spielen sollen.«
Voss-Tecklenburg spricht gerne »von unserem Playbook«, in dem hinterlegt ist, wie Spielaufbau, Pressing, das Anlaufverhalten oder Angriffsspiel aussehen sollen. Gegen den härtesten Widersacher der WM-Qualifikation krönten Lea Schüller (15.), Svenja Huth (23.) und Leupolz (28.) eine fast perfekte Anfangsphase. So war zu verschmerzen, dass Torhüterin Merle Frohms erst einen Elfmeter verursachte, bei dem der Ball unglücklich von ihrem Rücken ins Tor sprang (34.). Bei der EM dürfen solche Missgeschicke nicht mehr passieren. Die deutschen Fußballerinnen, so die Vorgabe von DFB-Direktor Oliver Bierhoff, sollen endlich mal wieder ein Halbfinale erreichen.
Gefühlt sind die DFB-Frauen nicht so weit weg von der Weltspitze wie die Männer, doch für eine seriöse Einschätzung gab es in diesem Jahr schlicht zu wenige aussagekräftige Vergleichsmöglichkeiten. Weiteres Problem: die fehlende Öffentlichkeit. Bei keinem Heimspiel kamen mehr als 3000 Zuschauer; und es ist zu leicht, diesen Umstand nur auf die Anstoßzeit um 16 Uhr zu schieben. Doch auch die Bundestrainerin hat die Öffentlich-Rechtlichen für ihr Programmschema kritisiert. »Es heißt: Ihr könnt nicht um 18 oder 19 Uhr spielen, weil da kommt ›SOKO Soundso‹ und da haben wir zwei Millionen Zuschauer«, erklärte sie im »Kicker«-Podcast »Fe:male view on football«. »Wir wundern uns alle, dass wir nicht so viele Fans in den Stadien haben - aber da kann ja auch niemand gehen.«
Schade ist tatsächlich, dass weitgehend im Verborgenen blieb, wie vorbildhaft ihr Ensemble in Pandemiezeiten unterwegs war. Zuhauf Coronafälle? Gab es im Gegensatz zu den Männern bisher nicht. »Die Impfquote im Frauenbereich ist höher«, hat Voss-Tecklenburg vergangene Woche in einer Medienrunde gesagt, zu der auch Bundestrainer Hansi Flick zugeschaltet war. In ihrem Team seien »nahezu 100 Prozent« geimpft, während der Kollege ja mit mehreren Impfskeptikern (und Coronafällen) zu kämpfen hatte.
Ebenfalls undenkbar wäre, dass Manuel Neuer, Antonio Rüdiger, Leon Goretzka oder Leroy Sané einen Teil ihres Sommerurlaubs opfern, um an der Sportschule Grünberg eine Trainerausbildung zu absolvieren. Genau das aber taten Almuth Schult, Sara Doorsoun, Lina Magull oder Alexandra Popp. Insgesamt 14 Nationalspielerinnen nahmen das Angebot der DFB-Akademie an, die Elite-Jugend-Lizenz zu erwerben und reisen bis heute teils früher zu den Länderspielmaßnahmen an, um Theorie- oder Praxiseinheiten abzuleisten. »Das ist ein Riesenmehrwert«, findet Voss-Tecklenburg. »Mich hat die Trainerausbildung zu einer besseren Spielerin gemacht.«
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