Omikron übernimmt zusehends das Infektionsgeschehen

Die Anzahl der registrierten Infektionen mit der Virus-Variante nimmt in Deutschland deutlich zu. Die WHO warnt vor vielen Krankenhauseinlieferungen in Europa

Während die Impfkampagne - anders als der Protest der Impf- und Corona-Maßnahmen-Gegner - über Weihnachten deutlich ruhiger verlief, lassen sich nach den Feiertagen nun wieder erheblich mehr Menschen impfen. So ließen sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Mittwochmorgen am Montag rund 535 000 und am Dienstag rund 608 000 Personen eine Impfdosis verabreichen. Die Anzahl der vollständig geimpften Menschen liegt laut RKI nun bei mindestens 59 Millionen oder 71 Prozent der Gesamtbevölkerung. Da nicht alle tatsächlichen Impfungen erfasst werden können, geht das RKI davon aus, dass die Zahl um bis zu fünf Prozentpunkte höher liegt. Mindestens 31 Millionen Menschen oder 37,3 Prozent haben den Angaben zufolge eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Die seit einiger Zeit doch rechte hohe und durch die Weihnachtsfeiertage nur kurzfristig eingebrochene Nachfrage nach Impfungen, darunter ein hoher Anteil der sogenannten Booster, dürfte auch an der Sorge vor der sich weltweit schnell ausbreitenden Virusvariante Omikron liegen. Auch hierzulande steigt die Anzahl der erfassten Infektionen mit Omikron, die nach Angaben des RKI vom Mittwoch nun bei 13 129 Fällen liegt - 26 Prozent mehr als am Vortag. Wie der Modellierer Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität Berlin gegenüber der dpa erklärte, weise der beobachtete Anstieg relativ sicher darauf hin, dass Omikron einen immer größeren Anteil am Infektionsgeschehen in Deutschland habe. In Hamburg und Bremen etwa spiele die Variante schon eine große Rolle, so Brockmann.

Das Risiko, das von der Omikron-Variante ausgeht, wird auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiterhin als »sehr hoch« eingestuft. »Zuverlässige Beweise« zeigten, dass Omikron gegenüber der Delta-Variante einen Wachstumsvorteil mit einer Verdopplungsrate von zwei bis drei Tagen habe, erklärte die WHO am Mittwoch. Am Dienstag hatte die Organisation bereits gewarnt, dass die Omikron-Variante in Europa zu »einer großen Zahl von Klinikeinweisungen« führen werde - obwohl sie offenbar leichtere Krankheitsverläufe auslöse. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte Catherine Smallwood von der WHO-Europadirektion diese Prognose mit der zu erwartenden Masse an Infektionen. Demnach würden Smallwood zufolge vor allem Ungeimpfte betroffen sein. Zu den möglicherweise milderen Auswirkungen der Omikron-Variante erklärte sie, dass Daten aus England, Schottland und Dänemark zwar darauf hindeuteten, es sich bei den beobachteten Fällen aber vor allem »um junge Leute mit guter Gesundheit in Ländern mit einer hohen Impfquote« handele. »Wir kennen noch nicht die Auswirkungen von Omikron bei den besonders gefährdeten Gruppen: ältere Menschen, die noch nicht vollständig geimpft sind«, so Smallwood.

Neben der sehr schnellen Verbreitung deutet sich ein weiteres Problem mit der Omikron-Variante an. Wie die US-Arzneimittelbehörde FDA mitteilte, könnten die gebräuchlichen Antigen-Tests eine Corona-Infektion mit der Omikron-Variante vermutlich nicht so gut erkennen wie bei früheren Virus-Varianten. »Erste Daten deuten darauf hin, dass Antigen-Tests die Omikron-Variante zwar erkennen, aber möglicherweise eine geringere Empfindlichkeit aufweisen«, so die FDA.

Mit einer möglichen, der dann mittlerweile fünften, Welle mit vielen Covid-Patient*innen, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, könnten auch die Krankenhäuser erneut an ihre Belastungsgrenzen kommen - und darüber hinaus. Für den Fall, dass hierzulande eine Triage notwendig werden würde, hatte das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss klargestellt, dass Menschen mit Behinderung dabei nicht benachteiligt werden dürfen und dass der Gesetzgeber Vorkehrungen zu ihrem Schutz treffen muss. Am Mittwoch mahnte die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, der Dachverband der Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen, nun dazu, dass es nicht ausreiche, nun einfach Orientierungshilfen von medizinischen Fachgesellschaften in ein Triage-Gesetz zu überführen, so Bundesgeschäftsführer Martin Danner. »Wir brauchen klare Regelungen, dass Ärztinnen und Ärzte nicht alleine über Leben und Tod entscheiden, sondern dass Gremien zur Sicherstellung rechtlicher und ethischer Expertise eingebunden werden.« Verena Bentele, Präsidentin des größten Sozialverband Deutschlands VdK, erklärte im Deutschlandfunk, dass in der Diskussion um eine gesetzliche Regelung auch die Belange der älteren Menschen Beachtung finden müssten. Für Bentele wäre es ein richtiger Schritt, sich mit den gesellschaftlichen Gruppen zu beschäftigen, die beim Thema Triage Unsicherheit empfinden würden.

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