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»Gefährlicher Wendepunkt überschritten«

Sudans ziviler Premierminister Abdallah Hamdok wirft im Streit mit den Militärs die Amtsgeschäfte hin

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Proteste in Sudan ebben nicht ab: Seit dem Militärputsch am 25. Oktober geht die sudanesische Demokratiebewegung fast täglich auf die Straßen, nun gibt es einen weiteren Grund: den Rücktritt des zivilen Regierungschefs Abdallah Hamdok am Sonntagabend. »Ich habe mein Bestes versucht, das Land davon abzuhalten, in die Katastrophe abzugleiten«, sagte der 66-Jährige in einer dramatischen Fernsehansprache. Doch sei es nicht gelungen, einen »Konsens« der politische Kräften zu finden.

Hamdok beklagte die »Zersplitterung der politischen Kräfte« in dem nordostafrikanischen Land und die Konflikte zwischen den militärischen und zivilen Teilen der Übergangsregierung. Trotz aller Anstrengungen sei deshalb ein politischer Konsens nicht zustande gekommen. Nun habe der Sudan einen »gefährlichen Wendepunkt überschritten, der sein Überleben bedroht«.

De facto konzentrierte sich die Macht im Sudan bereits in den Händen von General Abdel Fattah al-Burhan. Er hatte am 25. Oktober den Ausnahmezustand verhängt und die Regierung abgesetzt, die nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Baschir im April 2019 den Übergang zu demokratischen Wahlen hatte leiten sollen. Es folgten Massenproteste, al-Burhan setzte Hamdok daraufhin Ende November wieder als Regierungschef ein.

Im November kündigte Al-Burhan auch Wahlen für den Juli 2023 an. Demonstranten kritisierten jedoch, dass die Wiedereinsetzung Hamdoks lediglich dem Zweck gedient habe, den herrschenden Putschisten einen Anschein von Legitimität zu verleihen. Viele der pro-demokratischen Demonstranten brandmarkten den Regierungschef deshalb als »Verräter«.

Laut Medienberichten war Hamdok schon in den vergangenen Tagen nicht mehr in seinem Büro erschienen, was Spekulationen über seinen Rücktritt anheizte. Als Regierungschef sei er »gelähmt« gewesen und hätte »nichts erreichen« können, sagte der Forscher am Rift Valley Institute, Magdi Gizouli. Jetzt sei klar, »dass das Militär allein am Ruder ist«. »Die Demonstranten, die wieder auf die Straße gehen, müssen mit mehr Gewalt rechnen.« Es sei »eine offene Konfrontation zwischen den Sicherheitskräften und dem alten Regime auf der einen Seite - diesmal jedoch ohne al-Baschir - und einer führerlosen Bewegung auf der Straße auf der anderen Seite«, fasst Gizouli zusammen. Zusammenhalt gebe den mehrheitlich jungen Demonstranten nur ihre Überzeugung, dass der Aufstand von 2019 gegen den damaligen Machthaber heute fortgesetzt werden müsse.

Die Reaktionen aus dem Ausland fielen verhalten aus. Der UN-Gesandte Volker Perthes drückte sein Bedauern aus, respektiere aber die Entscheidung. Die Bundesregierung wiederholte ihre Forderung nach »einer zivilen Regierung und einer Fortsetzung des Transformationsprozesses in Richtung Demokratie«. Mit Agenturen

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