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  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Die SPD-Betonelite umstellen

Initiativen rüsten für den Druck der Straße zur Umsetzung des siegreichen Enteignungs-Volksentscheids

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.

»Eigentlich müsste man noch viel mehr vergesellschaften als nur das, was der Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen beinhaltet«, sagt die Linke-Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg. »Man müsste den Baufilz zerschlagen«, fordert sie. Anfangen würde sie gern mit dem vom österreichischen Milliardär René Benko gegründeten Immobilienkonzern Signa, der massiv an der Aufwertung seiner Karstadt-Grundstücke in Berlin arbeitet.

Doch damit ist sie bei der am Mittwochabend von der Sozialisierungsinitiative veranstalteten Online-Podiumsdiskussion der Realität schon einige Schritte voraus. Zunächst muss einmal die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Die Linke vereinbarte »Expertenkommission zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens« innerhalb der 100-Tages-Frist berufen werden.

»Wir haben Forderungen aufgestellt, die sind relativ eindeutig und gar nicht so kompliziert«, sagt Rouzbeh Taheri, einer der Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen. Analog zum Anteil der Ja-Stimmen beim Volksentscheid am 26. September 2021 fordert er, das »Ernennungsrecht für einen deutlichen Anteil der Kommissionsmitglieder« zu bekommen. »Wir haben jetzt die Zahl von 60 Prozent in den Raum gestellt.« Außerdem fordert er Transparenz. Die Kommission solle »keine Hinterzimmerrunde« sein. »Wir wollen auch, dass die Bevölkerung, die ein Recht darauf hat, erfährt, worüber diskutiert wird, was die Argumente sind, was die verschiedenen Expertinnen und Experten vertreten«, erläutert Taheri.

»Ich befürchte, dass es irgendwo in der Senatskanzlei eine Skizze für diese Kommission gibt. Wir haben sie nicht und ich bin relativ sicher, dass die Grünen und Linken sie auch nicht haben«, sagt Rouzbeh Taheri. Schließlich gebe es auch beim zu gründenden Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen bereits Arbeitsgruppen, obwohl das Bündnis überhaupt noch nicht gestartet ist.

Es könne in der Runde, die in einem Jahr zu einer Empfehlung für den Senat kommen soll, auch nur noch um das Wie der Sozialisierung gehen, unterstreicht der Aktivist. Das Ob hätten über eine Million Berlinerinnen und Berliner schon mit Ja beantwortet. »Versucht man, Probleme zu erkennen und dafür Lösungen zu finden, oder versucht man, Probleme zu erfinden, um zu keinem Ergebnis zu kommen?«, so die im Raum stehende Frage. Es habe solche Kommissionen in den vergangenen Jahren schon gegeben, zum Beispiel zur Reform der Mieten im alten sozialen Wohnungsbau, die nie zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen sind.

»Es kommt auch auf uns an, ob wir es schaffen, aus dieser Kommission bestimmte Erkenntnisse und auch einen bestimmten Gewinn für uns herauszuholen. Wenn es aber so aussieht, dass man dort überhaupt nicht arbeiten kann, dass es eine Blockade ist, dann muss man sich auch irgendwann darüber klar werden, aus dieser Kommission wieder herauszugehen«, stellt Taheri klar. Es gelte, Öffentlichkeit herzustellen über die Arbeit der Kommission, aber auch, spätestens im Frühjahr, wieder auf die Straße zu gehen und Kontakte zu knüpfen. »Mit Leuten ins Gespräch zu kommen, ist die Stärke, die wir haben und die die Gegenseite nicht hat. Bei allen anderen Sachen sind die im Vorteil«, so der Aktivist.

»Meine Erwartung an diese Kommission ist sehr gering«, sagt Matthias Clausen von der Kreuzberger Initiative Kotti & Co. Natürlich gebe es einige Punkte rund um die Sozialisierung, bei denen es sich lohne, genauer hinzuschauen. Zum Beispiel die Frage der Entschädigungshöhe oder auch die Definition der Vergesellschaftungsreife. Der Vorschlag von Deutsche Wohnen & Co enteignen sieht vor, dass die Berliner Bestände renditeorientierter Wohnungskonzerne dann gegen Entschädigung enteignet werden sollen, wenn sie über mindestens 3000 Wohnungen verfügen. »Es ist superwichtig, sehr wachsam zu sein und anstelle der SPD die Reißleine zu ziehen, wenn es zu schlimm wird«, so Clausen.

»Wir müssen es gut machen«, sagt Philipp Vergin von der Initiative Bizim Kiez über das zu verfassende Sozialisierungsgesetz. Schließlich dürfte es auf jeder juristischen Ebene angegriffen werden. »Wir müssen es als Chance begreifen, die ganze Idee der Sozialisierung noch über den Wohnungsbereich hinausgehend in weitere Teile der Gesellschaft zu tragen«, ist Vergin überzeugt.

»Ich gehe erst mal davon aus, dass die Kommission sehr schnell eingesetzt wird und teile auch das Anliegen, dass es eine sehr große Transparenz geben muss«, erklärt Katalin Gennburg von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Sie vertritt die Auffassung, dass im Koalitionsvertrag der politische Wille, Deutsche Wohnen & Co enteignen umzusetzen, »nicht klar formuliert ist«. Das sei auch einer der Gründe gewesen, warum sie gegen eine Regierungsbeteiligung der Linken gestimmt habe. »Am Ende wird auch die Frage sein: Schafft man es, diese Betonelite der SPD zu umstellen?«, so Gennburg.

Reiner Wild, der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, spricht vom »Grundproblem, dass die Entscheidung über die Fortführung des erfolgreichen Volksentscheids jetzt bei der Politik liegt«. Wenn die Partner in der Politik nicht einer Meinung seien, müsse »der Prozess jetzt begleitet werden«. Und er kündigt an: »Unsere Aufgabe als Mieterverein wird es sein, neben der Expertenkommission den politischen Druck weiter aufzubauen.« Denn ohne Druck von außen werde es nicht gelingen, den politischen Prozess zu steuern.

Zumindest seitens der Grünen gibt es Unterstützung. »Ich erwarte von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel, dass er die Initiative einlädt und gemeinsam mit ihr und der Koalition die Besetzung, Ausgestaltung wie den zeitlichen Fahrplan klärt, damit die Kommission bis Ende März arbeitsfähig ist«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger zu »nd«. Eine Expertenkommission sei »nur dann legitimiert, wenn sie durch die Initiative getragen wird, transparent arbeitet und konkrete Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeitet«, so Schmidberger weiter. Dies gebiete auch der Respekt vor den über eine Million Berlinerinnen und Berlinern, die für den Volksentscheid gestimmt haben.

Beim Umgang mit dem Volksentscheid steht einiges auf dem Spiel. Für Die Linke hätten sowohl Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer als auch die Landesvorsitzende Katina Schubert gesagt, dass sie die Koalition verlassen würden, sollte der Enteignungsvolksentscheid abgebügelt werden, erinnert Katalin Gennburg. »Ich nehme sie beim Wort. Ich glaube, der Großteil meiner Partei wird es auch tun«, sagt sie. »Ob wir ein Vergesellschaftungsgesetz bekommen, ist nicht nur eine Frage für Die Linke, ob sie in der Regierung bleibt. Es ist auch eine Frage, ob SPD und Grüne hier tatsächlich die Zeichen der Zeit erkannt haben, dass der Ausverkauf der Stadt wirklich gestoppt werden muss«, sagt die Abgeordnete.

Transparenzhinweis: Rouzbeh Taheri ist Verlagsleiter der nd.Genossenschaft eG

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