• Berlin
  • 100-Tage-Programm des Senats

Absenkung des Wahlalters wurde vergessen

Landesjugendring und Verbände kritisieren die Ergebnisse der rot-grün-roten Senatsklausur

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Unmittelbar nach Verkündung des 100-Tage-Programms des rot-grün-roten Senats trudeln erste Reaktion ein. Die Industrie- und Handelskammer sieht in den 40 beschlossenen oder angestoßenen Maßnahmen der Koalitionäre im Hinblick auf die Umsetzungsbeschleunigung ein »gutes Signal«, »dass der Senat schnell handlungsfähig werden möchte«. »So sind alle Maßnahmen im Wirtschaftskapitel ausdrücklich zu begrüßen. Auch das rasche Aufsetzen eines Runden Tischs Wohnungsbau ist die richtige Prioritätensetzung«, erklärt IHK-Präsident Daniel-Jan Girl in einer Mitteilung.

Unzufriedenheit gibt es seitens der Wirtschaft bezüglich der angestrebten Reform und Digitalisierung der Berliner Verwaltung, die sicher eine der größten Herausforderungen der neuen Landesregierung darstellt. Einen »Booster« benötige der Standort diesbezüglich, hieß es. »Hier sollten in den ersten 100 Tagen dringend die notwendigen Entscheidungsstrukturen mit Durchgriffsrechten für den CDO geschaffen werden«, erklärte Girl.

CDO steht für »Chief Digital Officer«; es handelt sich um den Beauftragten, der die Digitalisierung der Verwaltung maßgeblich vorantreiben soll. Diesen Posten hat Ralf Kleindiek inne, der als Staatssekretär formal der Senatsinnenverwaltung zugeordnet ist, aber auch generell für den Senat diese wichtige Aufgabe mit übernehmen wird.

Auch die oppositionelle CDU findet das nun vorgestellte 100-Tage-Programm »viel zu vage«. Zahlreiche Punkte fehlten. »Das Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken ist damit immer noch nicht auf Betriebstemperatur«, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende und Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus, Kai Wegner. So hätten die »Gründung des Mieten-Bündnisses und die Lehrer-Verbeamtung« schon längst eingeleitet werden können. »Wo bleiben der U-Bahn-Ausbau, die personelle Stärkung unserer Verwaltung, unserer Schulen, auch von Polizei und Feuerwehr?«, fragte Wegner. Dass der U-Bahn-Bau normalerweise Jahrzehnte in Anspruch nimmt, ficht Wegner nicht an. Die CDU will demnächst »eigene positive Ideen entgegensetzen und zeigen, dass ein besseres Berlin möglich ist«.

Mehr versprochen von der Klausur hatte sich der Landesjugendring, der dafür kämpft, dass das Wahlalter endlich auch für das Berliner Abgeordnetenhaus auf 16 Jahre abgesenkt wird. Bislang dürfen 16- und 17-Jährige in der Hauptstadt nur auf Ebene der Bezirksparlamente wählen. »In ihrem 100-Tage-Programm vom 16. Januar 2022 hat die Berliner Regierung die Einführung des Wahlalters von 16 vergessen«, kritisierte der Jugendring. Er forderte, den Antrag zur Absenkung des Wahlalters bis 31. März ins Abgeordnetenhaus einzubringen. Landesgeschäftsführer Tilmann Weickmann sagte: »Es geht nicht allein darum, dass junge Menschen ab 16 Jahren bei der Wahl 2026 das Landesparlament wählen dürfen.« Vielmehr gehe es auch darum, dass 16- und 17-Jährige in der laufenden Legislaturperiode bei Volksentscheiden mitbestimmen dürfen. Auch bei diesen relevanten Entscheidungen seien junge Menschen durch das aktuelle Wahlrecht ausgeschlossen. »Volksentscheide betreffen junge Menschen oft ganz direkt. Daher müssen sie abstimmen können.«

Durchweg positiv reagierte dagegen der Landesverband der Grünen auf die Senatsklausur. »Das heute vorgestellte 100-Tage-Programm des Senats trägt eine klare grüne Handschrift. Es enthält neben grünen Kernanliegen wie konsequentem Klimaschutz und einer beschleunigten Verkehrswende auch viele weitere grüne Ideen für ein lebenswertes, klimaneutrales und vielfältiges Berlin, in dem niemand zurückgelassen wird«, freuten sich die Landesvorsitzenden der Grünen, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai.

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