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  • Kinofilm »King Richard«

Von Compton nach Wimbledon

Das Biopic »King Richard« erzählt, wie ein vom Tennis besessener Vater seine Töchter gegen alle gesellschaftlichen Widerstände zu Weltstars macht

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Drei Außenseiter im weißen Sport Tennis bahnen sich ihren Weg: Serena und Venus Williams mit ihrem Vater in dem Film »King Richard«
Drei Außenseiter im weißen Sport Tennis bahnen sich ihren Weg: Serena und Venus Williams mit ihrem Vater in dem Film »King Richard«

Tennis ist ein weißer Sport für die obere Mittelklasse aufwärts. Dass ausgerechnet die Schwestern Serena und Venus Williams - beide Schwarz - aus dem sozial randständigen, für seine Bandenkriege und Hip-Hop bekannten Compton, einem Vorort von Los Angeles, in den 2000er Jahren zu den erfolgreichsten und berühmtesten Tennisstars weltweit avancierten, überraschte viele. Hinter dem Erfolg stand vor allem auch ihr Vater Richard Williams, ein tennisnärrischer Sportvater, der seine Töchter bereits als Kleinkinder täglich zum Training schleppte und von Anfang an davon ausging, dass die beiden einmal das legendäre Wimbledon-Turnier gewinnen würden. Dafür wurde er ausgelacht.

Aber Serena und Venus Williams gaben sich ab 2000 fast 20 Jahre lang auf dem Siegertreppchen des renommiertesten Tennisturniers der Welt quasi die Klinke in die Hand. Vor allem die jüngere der beiden, Serena, gilt als eine der erfolgreichsten Tennisspielerinnen aller Zeiten. Von dieser Geschichte, vor allem der Rolle des Vaters, der als Nachtwächter in einer Markthalle arbeitete und tagsüber bälleschlagend auf dem heruntergekommenen Platz des Comptoner Tennisclubs stand, erzählt das Biopic »King Richard« mit Will Smith in der Titelrolle.

Dabei wird der Vater als wohlwollender, strenger und stets rassismuskritischer Patriarch mitsamt Widersprüchen und nerviger Besserwisserei inszeniert. Will Smith, der neben seinen Paraderollen im Actionkino schon in diversen gesellschaftskritischen Filmen mitgespielt und »King Richard« auch mit produziert hat, geht in der Rolle des Richard Williams voll auf. Vor allem, wenn er im schicken weißen Clubhaus den arroganten weißen Sport-Agenten, die ihm freundlich, aber herablassend Verträge anbieten und Druck auf ihn ausüben, ihren bornierten Rassismus unter die Nase reibt.

Der zweieinhalbstündige Film erzählt von den Jahren, die vor den großen Erfolgen der Schwestern Venus (Saniyya Sidney) und Serena (Demi Singleton) liegen. Es geht um die Hartnäckigkeit des Vaters, der es irgendwann mit Dreistigkeit sogar schaffte, seine Töchter der Trainerlegende Paul Cohen vorzustellen, der unter anderem auch John McEnroe und Pete Sampras trainiert hatte und dann die Williams-Schwestern förderte. Denn die Familie hatte schlicht kein Geld, brauchte Förderung, die der Vater, dem niemand glauben wollte, dass seine Töchter zu Tennisstars werden würden, dann doch organisierte.

Die zum Teil explizit rassistischen Absagen einiger Trainer - »Sie kommen aus Compton? Probieren Sie es mit Basketball!« - fängt der Film pointiert ein. Rassismus im Sport spielt in jüngster Zeit immer wieder eine gesellschaftspolitisch nicht unbedeutende Rolle, nicht erst seit Schiedsrichter auch hierzulande Fußballspiele beenden, weil ein nichtweißer Spieler von Zuschauern rassistisch beleidigt wird.

Erfolgreiche Sportgrößen nutzen immer öfter die Möglichkeit, in gesellschaftspolitische Debatten um Rassismus einzugreifen, diesen anschaulich zu machen und dabei vor allem auch klar Partei gegen alltäglichen Rassismus zu ergreifen, wie das der Film »King Richard« tut.

Mit Rassismus im Sport (aber nicht nur dort) setzt sich auch Football-Legende Colin Kaepernick in der kürzlich herausgekommenen Netflix-Serie »Colin in Black and White« auseinander. Und der französische Fußballstar und Weltmeister von 1998 Lilian Thuram ist seit Jahren im Bereich rassismuskritischer Initiativen, unter anderen auch in der Jugend- und Bildungsarbeit tätig und schreibt Bücher. Sein Buch »Das weiße Denken«, in dem er unter anderem auch über Rassismus im Sport schreibt, erscheint Mitte März auf Deutsch im Verlag Edition Nautilus.

Interessanterweise betont Thuram dort an einer Stelle, dass es im Sportmanagement im Grunde niemanden gibt, der nicht weiß ist. Richard Williams wiederum wollte sich lange Zeit nicht an irgendwelche Verträge binden und hielt seine Töchter vergleichsweise lange aus dem Turnierzirkus heraus, was als unprofessionell gescholten wurde. Der Schwarze Selfmade-Mann aus Compton organisierte selbst das Management seiner Töchter.

Aber »King Richard« ist auch ein Film über den Leistungsdruck im Sport und geht mit diesem Punkt letztlich wenig kritisch um. Denn das Gewinnen und der Aufstieg in die Weltspitze ist Belohnung für die harte Arbeit. Richard Williams als Moralapostel predigt stets Bescheidenheit, reproduziert jedoch knallhart den ganzen Druck des Profisports, den er schon früh als Arbeitsrealität für seine Kinder auserkoren hat.

Die Schwestern Serena und Venus, die nie ein schlechtes Wort über ihren Vater in der Öffentlichkeit verloren haben und die von Saniyya Sidney und Demi Singleton großartig gespielt werden, kommen in dem Film etwas zu brav daher, wenngleich sich die beiden Frauen sehr lobend über die Darstellung ihrer Familie in »King Richard« geäußert haben.

Trotz der Länge wirkt der Film spannend und inszeniert Tennis äußerst kurzweilig und bildmächtig, was »King Richard« auch zu einem sehenswerten Sport-Biopic macht. Seine Qualität indes zieht er vor allem aus der politischen Dimension dieser Familiengeschichte.

»King Richard«, USA 2021. Regie: Reinaldo Marcus Green. Drehbuch: Zach Baylin, Mit: Will Smith, Saniyya Sidney, Demi Singleton. 145 Min. Start: 24. Februar.

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