Abgeseilt auf der Autobahn

Aktivist*innen protestieren gegen den Bau neuer Straßen

  • Jannis Große
  • Lesedauer: 3 Min.
Abseilaktion der Klimaaktivist*innen auf der A1
Abseilaktion der Klimaaktivist*innen auf der A1

Es ist ein sonniger Wintertag im schleswig-holsteinischen Oldenburg. Zwei Aktivist*innen stehen mit Klettergurten und Warnwesten auf der Brücke, die kurz hinter dem Ortsschild über die A1 führt. Sie machen ihre Seile an der Brücke fest und klettern über das Geländer. Die Autos rauschen unter den Aktivist*innen vorbei. Die Kletternden verunsichert das nicht, ruhig und gekonnt seilen sie sich ab, ihr Transparent flattert im Wind.

Insgesamt acht Aktivist*innen beteiligen sich an der Aktion. Sie fordern eine Verkehrswende und richten sich auch gegen den Bau von Autobahnen. »Eine Verkehrswende wird unmöglich, wenn immer weiter neue Autobahnen gebaut werden«, erklärt eine der Aktivist*innen, die sich Lotta Meier nennt. »Verkehrswende heißt für uns, dass alle Menschen einen öffentlichen Nahverkehr nutzen können und dass dieser auch erschwinglich ist.« Knapp 20 Minuten nach Beginn der Aktion taucht der erste Streifenwagen vor Ort auf. Kurze Zeit später rasen weitere Streifenwagen über die Autobahn und bremsen den Verkehr aus. Die Autobahn wird gesperrt.

Konkrete Kritik haben die Aktivist*innen am Fehmarnbelt-Tunnel, der knapp 30 Kilometer nordöstlich von Oldenburg in Holstein, am Ende der A1 gebaut werden soll. Der 17,6 Kilometer lange Straßen- und Eisenbahntunnel soll die Inseln Fehmarn in Schleswig-Holstein und Lolland in Dänemark verbinden und die langsamere Fährverbindung ablösen. Der Bau des Unterwassertunnels begann im Sommer 2021 auf deutscher und dänischer Seite und soll 2029 abgeschlossen sein. Neben einer zweigleisigen Eisenbahnstrecke soll auch eine vierspurige Autobahn durch den Tunnel führen.

»Der Fehmarnbelt-Tunnel ist eine ökologische und klimapolitische Katastrophe«, erklärt die Aktivistin Lou in einer Pressemitteilung. Alleine der Bau würde über 2,2 Millionen Tonnen CO2 emittieren, behaupten die Aktivist*innen. »Für den Tunnel werden zahlreiche Betonbauteile in die Ostsee gebracht, was das Ökosystem massiv beschädigt«, erklärt Lotta Meier bei der Aktion.

Das Unternehmen Femern A/S, das mit der Planung und dem Bau des Fehmarnbelt-Tunnels beauftragt wurde, sieht den Tunnel hingegen als Teil eines umweltfreundlichen Verkehrssystems: »Der Fehmarnbelt-Tunnel ist ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Verkehrsnetzes und leistet einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende.« Güterverkehr auf die Schiene bringen ist auch Ziel der Klimaaktivist*innen. »Dafür muss man aber nicht kilometerweit Meeresboden aufreißen«, meint Lotta. Es gäbe schon bestehende Strecken, die man nutzen könne.

Gegen Nachmittag rücken Kräfte der Bereitschaftspolizei mit technischen Hilfsmitteln an. Über Lautsprecher erklärt ein Polizist, dass die Aktion als nicht angemeldete Versammlung gewertet wird, und löst diese auf. »Aktion Autofrei« nennt sich die Kampagne, die auch zum Protest in Oldenburg twittert. In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Autobahnen am Dannenröder Wald oder in Bremen blockiert, um für eine Mobilitätswende zu demonstrieren. Einige Aktivist*innen stehen wegen ähnlicher Proteste vor Gericht. »Wir machen diese Aktion auch, weil wir uns mit den Aktivist*innen solidarisieren, die dafür zum Beispiel in Frankfurt vor Gericht stehen«, erklärt Lotta.

Die Polizei fordert die Teilnehmer*innen der aufgelösten Versammlung auf, ihre Personalien anzugeben und die Brücke zu verlassen. Es würden die Straftatbestände der Nötigung und des schweren Eingriffs in den Straßenverkehr im Raum stehen. Die Aktivist*innen rühren sich jedoch nicht vom Fleck. Die Polizei nimmt sie in Gewahrsam. Die beiden Kletteraktivist*innen werden mit Hilfe der Drehleiter von der Feuerwehr auf den Boden gebracht. Knapp fünf Stunden nach Beginn der Protestaktion wird der Verkehr auf der A1 wieder freigegeben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal