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Keine Fortschritte bei Evakuierungen aus Afghanistan

Demonstration in Berlin versucht Aufmerksamkeit auf die anhaltende Notlage unter dem Taliban-Regime zu lenken

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Platz vor dem Auswärtigen Amt in Berlin füllt sich langsam. Ein Lautsprecherwagen wird aufgebaut, Transparente entrollt und aufgehangen, Flugblätter an die Teilnehmenden und Passant*innen verteilt. Aus den Lautsprechern schallt afghanische Musik; Redebeiträge werden auf Farsi, Deutsch und Englisch gehalten. Dann setzt sich Demonstration in Gang. »No Nato, no Taliban, don’t forget Afghanistan!«, rufen am Samstagnachmittag etwa 100 bis 150 Demonstrierende auf ihrem Weg durch Mitte, um im Chaos der sich überschlagenden Katastrophenmeldungen die Aufmerksamkeit auch auf die anhaltende Notlage in Afghanistan nach dem Abzug westlicher Militärmächte zu lenken.

»Sechs Monate nach dem katastrophalen Abzug aus Afghanistan, bei dem 30 Millionen Menschen im Stich gelassen wurden, sehen wir immer noch keine Fortschritte«, sagt Kava Spartak aus dem Vorstand des Vereins Yaar, der in der Geflüchtetenhilfe für Menschen aus Afghanistan aktiv ist. »Wir stehen vor einer humanitären Katastrophe. Menschen verhungern, viele hat der Winter schon das Leben gekostet und er wird noch weitere Leben kosten«, so Spartak.

Währenddessen laufen die Evakuierungen schleppend und gefährdete Afghan*innen warten immer noch auf Aufnahmezusagen. »Hunderttausende, die nach Deutschland geflohen sind, sorgen sich um ihre Familien«, sagt Spartak. Es brauche dringend Aufnahmeprogramme vom Bund und den Ländern sowie ein Bleiberecht für alle Afghan*innen in Deutschland. »Es geht um Verantwortung, Leute. Und es geht um Mitgefühl«, sagt Spartak.

Während der Demonstration kommen zahlreiche afghanische Aktivist*innen zu Wort. Sie beschreiben die fürchterliche und lebensbedrohliche Lage für alle, die nicht der menschenfeindlichen Ideologie der Taliban entsprechen. So fänden aktuell großflächige Hausdurchsuchungen statt. »Ich selbst musste fliehen, viele andere sind zurückgelassen worden«, sagt Sayedi, der sich in Afghanistan bis zur Machtübernahme der Taliban für Frauenrechte eingesetzt hat. Aktivist*innen würden von den Taliban aus ihren Wohnungen geräumt werden und seien nun verschwunden, sagt er. »Die deutsche Regierung muss Aktivist*innen vor Ort sofort evakuieren«, fordert Sayedi.

Auf dem Weg zum Bundesinnenministerium ziehen die Demonstrierenden auch an der ukrainischen Botschaft vorbei. »Wir sind solidarisch mit allen Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Wir lassen keine Menschen im Krieg sterben!«, schallt es vom Lautsprecherwagen.

Auch Abu und Ahmad Toran sind am Samstag auf der Straße und helfen bei der Organisation der Demonstration. Die beiden afghanischen Brüder haben monatelang vor dem Auswärtigen Amt dafür demonstriert, ihre Familie, die als Ortskräfte für die Bundeswehr gearbeitet hat, aus Afghanistan zu evakuieren. »Die Taliban gehen von Haus zu Haus und suchen die Menschen«, sagt Abu Toran zu »nd«. Die Sorge um ihre Familie ist dementsprechend weiterhin sehr groß, sagt er, denn auch sechs Monate nach dem Truppenabzug ist keins seiner Familienmitglieder in Sicherheit gebracht worden. Toran selbst arbeitet inzwischen für den Flüchtlingsrat Berlin. Im Rahmen dieser Tätigkeit versucht er, Initiativen und Aktivist*innen, die sich für gefährdete Afghan*innen einsetzen, miteinander zu vernetzen und landesweite Zusammenarbeit zu koordinieren.

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