Wenn der Toast Hawaii im Hals stecken bleibt

Oxfam-Studie: Grenzenlose Ausbeutung in der Ananas- und Weintrauben-Produktion in Costa Rica und Südafrika

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

»Grenzenlose Ausbeutung«, so der Titel der am Dienstag erschienenen Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam, in der die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen in Costa Rica und Südafrika unter die Lupe genommen werden. Das Ergebnis: »Trotz der Beteuerungen der großen Supermarktketten werden Ananas, Bananen, Wein und Tafeltrauben, die in deutschen Supermärkten angeboten werden, unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen angebaut«, so Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte.

Zahn, Mitautor der Studie, verweist auf etliche Beispiele aus Costa Rica, wo der offizielle Mindestlohn von 10862 Colones pro Tag (14,84 Euro) nicht gezahlt wird. Das hat verschiedene Gründe. Im Norden des Landes – hierzulande eher als nachhaltiges Tourismusziel und weniger als größter Ananas-Exporteur der Welt bekannt – vermeiden viele Plantagen ihre Arbeiter*innen direkt anzustellen. Contratistas heißen die Arbeitsvermittler*innen vor Ort, die den Arbeiter*innen, oft Migrant*innen aus dem benachbarten Nicaragua, häufig nur ein Drittel des Mindestlohns für einen Tag Plackerei auf der Plantage oder in der Verpackung anbieten. Umgerechnet 4,5 Euro sind das für einen Arbeitstag, der oft zwölf oder mehr Stunden hat, denn in Costa Rica wird in der Plantagenwirtschaft in aller Regel im Akkord gearbeitet.

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Ein Widerspruch, denn die Arbeitsgesetze orientieren sich am Acht-Stunden-Tag, so Didier Leitón, Sekretär der Gewerkschaft für Landarbeiter (SITRAP), die vor allem an der Karibikküste und dem dazugehörigen Hinterland präsent ist. »Das Arbeitsministerium hat aber keinerlei politischen Einfluss, die zuständige Kontrollstelle verfügt nur über ein Fahrzeug, und während der Pandemie waren die lokalen Büros geschlossen«, berichtet Leitón, der auch für die Studie interviewt wurde.

Das führt dazu, dass der Mindestlohn, den Leitón zudem als zu niedrig einstuft, oft nicht gezahlt wird. Dagegen wehren sich nur wenige Arbeiter*innen, weil sie ihren Job nicht verlieren wollen. Bei den Migrant*innen aus dem Nachbarland Nicaragua kommt die Angst vor Ausweisung hinzu.

Zudem ist Costa Rica extrem gewerkschaftsfeindlich: Leitón ist mehrfach von der Polizei von Plantagen verwiesen worden, obwohl er laut den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation das Recht und die Pflicht hat, Sitrap-Mitglieder bei oder nach der Arbeit zu besuchen. In Costa Rica ist das de facto nicht möglich und auch ein Grund, weshalb es in der Regel keine Tarifverträge auf den Plantagen gibt. Selten werden Arbeitsverträge schriftlich vereinbart, so die Studie. Frauen werden meist zusätzlich diskriminiert. »Frauen erhalten weniger Lohn, aber Unternehmen wie die Grupo Acón stellen mittlerweile keine Frauen mehr an, entlassen sie unter Vorwänden, um bei Schwangerschaft keine Lohnfortzahlungen leisten zu müssen«, kritisiert Leitón.

Solche miesen Praktiken sind auch in dem zweiten untersuchten Land bekannt. Südafrika, wo auf 92.000 Hektar Weintrauben angebaut und von 270.000 Arbeiter*innen geerntet werden. »Zwei Länder, zwei Kontinente, gleiche Strukturen«, kritisiert Tim Zahn. Hintergrund sei unter anderem der extreme Preisdruck der Supermärkte. In den vergangenen 20 Jahren sind die Importpreise bei Ananas aus Costa Rica und südafrikanischen Weintrauben um rund die Hälfte gefallen. Das wirke sich auf die ohnehin niedrigen Löhne aus, so Zahn, der an die Supermarktketten appelliert, bei ihrer Preispolitik die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht außer Acht zu lassen. Gravierend sei zudem die sexuelle Ausbeutung der Arbeiter*innen auf südafrikanischen Farmen. »Es ist eine Tatsache, dass die Frauen zu sexuellen Handlungen genötigt werden, bevor sie eine Arbeit bekommen«, berichtet die Gewerkschaftsvertreterin Denia Jansen vom »Mayibuye Land Rights Forum«.

Die importierenden Supermarktketten reagierten ganz unterschiedlich, obwohl sie ab 2023 durch das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet sind, mehr zu tun. Edeka verwies gegenüber Oxfam darauf, dass alle Lieferanten von der Rainforest Alliance oder Global Gap zertifiziert seien. Für strafrechtliche Belange seien die lokalen Behörden verantwortlich. »Eklatant ist, wie sich das Unternehmen aus der Verantwortung ziehe. Unternehmerische Sorgfaltspflicht funktioniert anders«, kritisiert Zahn.

Anders die Reaktionen bei weiteren Unternehmen wie Lidl, Rewe und auch Aldi. Sie sicherten zu, die Vorwürfe überprüfen zu wollen. Positiv, so Didier Leitón. Er mahnt allerdings mehr internationalen Druck an. »Die Gewerkschaftsfeindlichkeit auf den großen Plantagen ist das Grundproblem.« In Costa Rica, in Südafrika, aber auch in vielen anderen Lieferländern.

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