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Dresdner CDU mit Hang zur Selbstverzwergung

Partei verzichtet auf eigene Kandidatur zur OB-Wahl / Bewerber des Mitte-links-Lagers treffen Vereinbarung für Runde zwei

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Was war das für ein Katzenjammer bei der Dresdner CDU nach der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2001. Elf Jahre lang hatte die Partei, die damals auch im Freistaat noch mit absoluter Mehrheit regierte, das Rathaus der Landeshauptstadt geführt; der Amtsinhaber Herbert Wagner, ein Elektroingenieur, der in der Wendezeit in die Politik gekommen war, hatte sich fest auf eine dritte Amtszeit eingerichtet. Dann aber schnappte ihm der FDP-Mann Ingolf Roßberg den Posten vor der Nase weg, der von SPD, Grünen und nach Zögern auch der PDS unterstützt wurde. Er gewann im zweiten Wahlgang trotz oder gerade wegen der Schmähung von CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Dieser hatte Roßberg als »Schrott aus Wuppertal« bezeichnet, in Anspielung auf seine dortige Tätigkeit als Dezernent für Stadtentwicklung.

Die Schlappe vor zwei Jahrzehnten schien zunächst nur ein Ausrutscher zu sein für die CDU. Dresden galt, im Gegensatz zu den traditionell eher »roten« sächsischen Großstädten Leipzig und Chemnitz, als sicheres Pflaster für die Schwarzen, die bei der Stadtratswahl 1999 immerhin fast 43 Prozent geholt hatten. Und tatsächlich blieb es für Roßberg bei nur sieben Amtsjahren. 2008 eroberte die CDU mit der vormaligen sächsischen Sozialministerin Helma Orosz den Posten zurück. Sie erhielt im zweiten Wahlgang die Stimmen von zwei Dritteln der Dresdner Wähler.

Inzwischen aber wirkt es so, als habe 2001 ein Niedergang begonnen, von dem die zum Zweck der Rathauseroberung aus dem Kabinett abgeordnete Orosz nur vorübergehend ablenken konnte. Bei der OB-Wahl im Jahr 2015 zeigte sich der Bedeutungsverlust der CDU in einer 15-Prozent-Klatsche für Orosz’ Ex-Ministerkollegen Markus Ulbig. Bei der Stadtratswahl 2019 wurde die Union dann erstmals seit 1990 nicht mehr stärkste Kraft und landete hinter den Grünen. Bei der Bundestagswahl 2021 verteidigte sie zwar beide Dresdner Direktmandate, eines aber mit nur wenig mehr als einer Handvoll Stimmen Vorsprung vor dem AfD-Konkurrenten.

Vorübergehender Tiefpunkt ist nun ein Vorgang, den Beobachter als politische Bankrotterklärung werten: Bei der Wahl des Stadtoberhaupts in Ostdeutschlands zweitgrößter Stadt schickt die einst stolze Dresdner CDU am 12. Juni erst gar keinen eigenen Bewerber ins Rennen. Zwar erklärte deren Kreischef Markus Reichel noch im Januar, man verfüge »über mehrere für das Amt des Oberbürgermeisters geeignete Persönlichkeiten«. Vier Wochen später aber gab er bekannt, dass die Union FDP-Rathauschef Dirk Hilbert beim Versuch unterstützt, sein 2015 erobertes Amt zu verteidigen. Es sei besser, den anerkannten OB zu unterstützen, als ihn durch einen eigenen Kandidaten zu schwächen, erklärte Reichel. Zwar betonte die CDU, man habe sich mit Hilbert auf zehn inhaltliche Forderungen geeinigt. Die Grünen aber sehen in dem Verzicht ein weiteres Indiz für die »erheblichen Personalprobleme« der CDU und »ihre Ideenlosigkeit in den Großstädten«. Und Tilo Kießling, Stadtrat der Linken, spricht fast mitleidig von der »Verzwergung einer früher großen Partei«.

Gleichwohl verändern der CDU-Rückzug und der Schulterschluss im bürgerlichen Lager die Dynamik des Wahlkampfes. In ihm stehen Hilbert, der auf seinen Amtsbonus bauen kann, neben Kandidaten wie dem AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah gleich mehrere Bewerber von Mitte-Links gegenüber. Die SPD schickt Landtagspolitiker Albrecht Pallas ins Rennen, die Grünen Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen, die Linke ihren Ratsfraktionschef André Schollbach. Dazu kommt noch Martin Schulze-Wissermann, Stadtrat der Piraten. Die Ausgangslage unterscheidet sich damit deutlich von der im Jahr 2015, als sich diese im Stadtrat durch eine Kooperationsvereinbarung verbundenen Parteien auf eine gemeinsame Kandidatin geeinigt hatten. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange lag im ersten Wahlgang sogar vorn. Hilbert zog erst vorbei, nachdem die Kandidaten von CDU, AfD und Pegida zurückzogen und seine Wahl empfahlen.

Diesmal dient der erste Durchgang als eine Art »Vorwahl« im Mitte-links-Lager. Erst später will man die Kräfte bündeln und »jene Persönlichkeit aus unseren Reihen«, die in Runde eins die meisten Stimmen erhält, »gemeinsam im zweiten Wahlgang unterstützen«. So steht es in einer Erklärung der Bewerber und der Parteivorstände von Linke, Grünen und SPD. Diese eine »die Überzeugung, dass Dresden andere Impulse benötigt, besser geführt werden muss und es einen Wechsel an der Rathausspitze braucht«, heißt es. Die Rechnung geht freilich nur auf, wenn es trotz des CDU-Verzichts überhaupt zu einem zweiten Wahlgang kommt.

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