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  • Präsidentenwahl beim DFB

Intrigantenstadl der Fußballer

Der DFB wählt einen neuen Präsidenten. Echte Reformen dürften aber ausbleiben

  • Frank Hellmann, Bonn
  • Lesedauer: 5 Min.
Bernd Neuendorf geht am Freitag als Favorit in die Wahl um das DFB-Präsidentenamt.
Bernd Neuendorf geht am Freitag als Favorit in die Wahl um das DFB-Präsidentenamt.

Der Ort ist historisch. In jenen großen Räumlichkeiten des heutigen World Conference Center in Bonn, in denen am 1. Juli 1999 die letzte Sitzung des Deutschen Bundestags vor seinem Umzug nach Berlin stattfand, steigt an diesem Freitag der 44. Ordentliche Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Historisch ist mittlerweile aber auch die Krise, in der der größte deutsche Einzelsportverband quasi schon in Endlosschleife steckt. Und so kommt es, dass sich erstmals in der 122-jährigen DFB-Geschichte zwei Kandidaten den 262 Delegierten zu einer geheimen Wahl des neuen Verbandspräsidenten stellen: der Favorit Bernd Neuendorf, aktuell Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein und Peter Peters, zuvor Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga (DFL) und Mitglied des DFB-Präsidiums.

Die Ausgangslage ist recht simpel: Neuendorf ist Wunschkandidat der Amateurvertreter, Peters genießt eher im Profilager Rückhalt. Weil die DFL aber nur über 90 Stimmen verfügt - also knapp ein Drittel - und sich die Regional- und Landesverbände lange vor der Vorstellung der Konzepte der Kandidaten für Neuendorf ausgesprochen haben, kann der 60-Jährige diese Wahl recht siegessicher angehen. Dem einstigen Sprecher des SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder und Staatssekretär für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport in Nordrhein-Westfalen fehlt noch das öffentliche Profil. Dennoch will er den Schleudersitz an der DFB-Spitze besetzen. Holger Stahlknecht, Präsident des Fußball-Verbandes Sachsen-Anhalt, sprach zuletzt unverblümt von einem Himmelfahrtskommando. Denn der Dachverband für mehr als sieben Millionen Mitglieder hat sich zum Hort der Intrigen entwickelt.

Neuendorfs Vorhaben lautet: einen Neuanfang starten und den Fußball in den Mittelpunkt stellen. Ähnliches hatten schon einige vor ihm formuliert. Verwirklicht wurden es eigentlich nie. Auch Vorgänger Fritz Keller hatte im Herbst 2019 auf der Frankfurter Messe hehre Absichten wie die Einheit von Amateuren und Profis oder das bessere Zusammenspiel von Männern und Frauen proklamiert. Danach kam der Winzer im Frankfurter Intrigantenstadl unter die Räder - und leistete sich letztlich im Streit mit seinem damaligen Vizepräsidenten Rainer Koch eine unverzeihliche Nazi-Entgleisung, nach der Keller im Mai 2021 zurücktreten musste.

Koch ist seither Interimspräsident. Keller und die ebenfalls gestürzten ehemaligen DFB-Bosse Reinhard Grindel und Theo Zwanziger attackierten Koch zuletzt scharf. Dieser hat tatsächlich das Kunststück vollbracht, immer wieder Präsidenten teils eilig zu installieren, um sie (nach Verfehlungen) ebenso rasch wieder zu demontieren. Das Trio forderte nun eine Abkehr vom »System Koch«. Keller meinte gar, Koch sei »ein Spaltpilz, er lebt von der Intrige«.

Der Beschuldigte wies die Vorwürfe als »absurd« zurück, witterte mal wieder eine Verschwörung und will natürlich weitermachen. Dabei wirkt allein schon seine innige Verbindung zum Medienberater Kurt Diekmann - weshalb vergangene Woche mal wieder die Staatsanwaltschaft in der DFB-Zentrale anrückte - anrüchig. Der 63-jährige Koch ist beseelt von der Vorstellung, als deutscher Repräsentant in der Exekutive des Europäischen Dachverbands Uefa spätestens zur EM 2024 in Deutschland bei allen Anlässen in vorderer Reihe zu stehen.

Während Neuendorf in der Causa Koch diplomatische Verrenkungen bemüht (»Ich habe keine Erfahrungen gemacht, die es rechtfertigen würden, mich von Rainer Koch loszusagen«), greift Peters (»Er will mich nicht, ich will ihn nicht«) den Strippenzieher frontal an. Damit kaschiert der 59-Jährige aber gleichzeitig seine größte Schwachstelle: Weder auf Verbands- noch auf Vereinsebene hat Peters argumentativ überzeugt, geschweige denn die richtigen Knöpfe gedrückt. Doch beim DFB ist man nur erfolgreich, wenn die Beziehungen stimmen.

Aus diesem Grund gibt es auch diesmal keine Kandidatin auf den Spitzenposten. Katja Kraus aus der Frauen-Initiative »Fußball kann mehr« beklagte in der »FAZ«: »Zwei Kandidaten, die aus dem bestehenden DFB-System kommen und jeweils einem Lager zugerechnet werden, sind wahrlich keine demokratische Errungenschaft.« Viele bedauern, dass ihre Bewegung auf eine eigene Kandidatur verzichtete, und dass erneut keine Doppelspitze gewählt wird. Doch für Kraus und Co. wird immer noch zu viel von Männerrunden in Hinterzimmern entschieden.

Neuendorf und Peters haben zumindest Frauen in ihre Schattenkabinette geholt. Der Umgang mit der im Team von Peters als Vizepräsidentin antretenden Silke Sinning offenbart aber schon wieder viel von der kritisierten Verlogenheit: Der Bayerische Landesverband (fest in den Händen Rainer Kochs) hat Sinning unvermittelt für eine geheime Kampfabstimmung gegen Koch nominiert. Da sie als vehemente Gegnerin des Interims-Chefs gilt, sieht das wie eine Möglichkeit aus, Koch zu stürzen.

Die Kandidatur der Uni-Professorin ergibt aber kaum Sinn, wenn Neuendorf zuvor zum Präsidenten gewählt wird. Mit dessen Programm hat sie kaum etwas gemein. So sagt die 52-Jährige auf Anfrage: »Ob ich antrete, wenn Neuendorf gewählt wird, weiß ich noch nicht. Ich entscheide vor Ort, was mein Bauch und mein Herz mir zurufen.« Koch dürfte darauf bauen, dass Sinning gar nicht antritt und er dann ohne Gegenkandidatin dasteht.

Dieser Nebenschauplatz könnte der einzig spannende Punkt dieses DFB-Bundestages werden. Anders als auf einer Jahreshauptversammlung beim FC Bayern können schließlich nicht plötzlich zornige Mitglieder ans Rednerpult schreiten. Dabei wäre genau das vielleicht bitter nötig. Nach Uhrenaffären, Steuerrazzien, Grabenkämpfen und Lustreisen ist der Vertrauensverlust in die DFB-Funktionärsriege immens. 8000 DFB-Mitglieder nahmen jüngst an einer verbandseigenen Online-Befragung teil. Mit 97 Prozent gaben sie als ihren Hauptwunsch die Wiedererlangung von »Glaubwürdigkeit und Transparenz« an. Ob der mit diesem DFB-Bundestag in Erfüllung geht, ist zweifelhaft.

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