Ein Sprachreisender

Der Schriftsteller Tomer Gardi wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet

Es gibt gute Gründe für ein Misstrauen gegenüber Preisen, zumal solchen für literarische Werke. Gehen die Auszeichnungen nicht zu oft an diejenigen, die ohnehin schon eine gewisse Bekanntheit und ein Auskommen haben, statt eine Hilfe für prekär lebende Schreiber zu sein? Und viel zu oft bekommt man das Gefühl, Literaturpreise seien Resultat der Marketingmaßnahmen großer Verlage. Viel wird dann über Bestseller gesprochen – und zu wenig über Literatur.

Dabei vergisst man häufig die schönste Seite dieser Ehrungen: Sie verhelfen Lesern im besten Fall auch zu Entdeckungen. Tomer Gardi etwa, der am Donnerstag mit dem renommierten Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, ist zwar kein Unbekannter, aber bisher auch nicht der erste Vertreter einer avancierten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, der einem in den Sinn kommt.

Der 1974 in Israel geborene Schriftsteller hat seinen Debütroman »Stein, Papier: Eine Spurensuche in Galiläa« (2011), eine autobiografische Kibbuzerzählung, in seiner Muttersprache verfasst. 2016 folgte »Broken German«, ein Buch, das er in einem radebrechenden Deutsch verfasste. Der Kampf mit der Sprache ist dabei gleichermaßen Thema und Form. Nach dem wiederum auf Hebräisch geschriebenen Roman »Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück« (2019) folgte schließlich das im letzten Jahr erschienene und für preiswürdig befundene Buch »Eine runde Sache«.

Einmal mehr erzählt Gardi damit eine deutsch-hebräische Geschichte. Im wahrsten Sinne des Worte, besteht das Buch doch aus einem auf Deutsch verfassten und einem aus dem Hebräischen übersetzten Teil. Ob das wirklich eine runde Sache ist? Nein und ja. Hier fügt sich alles so schlecht zusammen wie fast nur in der Realität. Zwei reisende Künstler prallen aufeinander: Gardis Alter ego, begleitet von einem Schäferhund, der nur Rex heißen kann, durch das Deutschland der Jetztzeit einerseits, andererseits der indonesische Maler Raden Saleh im vorvergangenen Jahrhundert. Da stellt jemand mit einem Schelmenroman unter Beweis, dass er beides beherrscht: wilde Fantastik und einen historischen Roman, eine Reise durch die deutsche Sprachwirrnis und den hohen Stil.

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