Lasst uns in Frieden (22): Wir sind Deserteure

Wer heute gegen den Krieg und gegen die Nato ist, macht sich verdächtig. Das war mal anders

Es gibt Leute, die sagen, wenn die Menschen in der Ukraine die Nato wollen, dann soll die Nato kommen. Das ist das, was von bornierter Identitätspolitik übrig bleibt: Die Betroffenen haben auch dann recht, wenn sie den Atomkrieg auslösen.

Macht doch nichts. Es geht um das Prinzip. Oder um Wladimir Putin, der angeblich zu viel Angst vor einem Atomkrieg haben soll, wie küchenpsychologisch gerne behauptet wird. Vor der Nato braucht man anscheinend keine Angst zu haben, die wird schon alles richtig machen. Als Kind sagte meine Mutter zu mir: »Und wenn dir jemand sagt, spring aus dem Fenster, springst du dann?«

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Doch die Nato gehört jetzt zu den Guten, für die springt man gerne. Das ist der neue Glaube, auch vieler Linker, die früher niemals etwas mit der Nato zu tun haben wollten. Genau das sei angeblich ihr großer Fehler gewesen und ein wichtiger Grund für das aktuelle Desaster der Linkspartei, wie manche ihrer Funktionäre jetzt sagen.

Richtig ist, dass die Linkspartei wegen ihrer Ablehnung der Nato bundesweit nie mitregieren durfte, obwohl sie gerne wollte. Aber je mehr sie das wollte, je mehr Kompromisse sie in Aussicht stellte, desto weniger wollten die Wähler etwas von ihr wissen – Künstlerpech.

Früher war das Mitmachenwollen in West wie Ost verachtet, weil man das Mitmachenmüssen hasste. Selbst ein betulicher Deutschrocker wie Wolf Maahn sang auf seinem ersten Album 1982: »Wir sind Deserteure / Kein Land auf das ich schwöre«. Die Musik war so lala, aber der Refrain war Common Sense. Wer damals als Nicht-Rechter nach der Nato gerufen hätte, der oder die wäre für verrückt erklärt worden. »Vaterlandsliebe / und Bilder vom Feind / Was verlangt Ihr von mir? / Loyalität für Junkies der Macht / kriegt Ihr nicht von mir«, erklärte Wolf Maahn in dem Song. »Besser im Schoß / von meinem süßen Schatz / als ein Narr an der Front / Besser den Mut zur Feigheit / als ein Fähnrich im Sand«.

Das Bild über diesem Text zeigt zwei russische Deserteure im Ersten Weltkrieg, die 1917 von einem Soldaten zurück in den Kampf gezwungen werden. Die Ablehnung des Krieges war einmal revolutionär.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.