Völkerrechtsbruch ist die Regel

Amnesty: Weltweit herrscht Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Konfliktregionen

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine markiert nach Einschätzung von Markus N. Beeko nicht jene Zeitenwende, von der Bundeskanzler Olaf Scholz sprach. Vielmehr sei er »die Spitze eines Eisbergs«, sagte der Generalsekretär der deutschen Sektion der von Amnesty International (AI) am Montag anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen Jahresberichts der Menschenrechtsorganisation in Berlin. Eines Eisbergs der »fortschreitenden Erosion und einer fehlenden Durchsetzung der internationalen Ordnung, einer Erosion, die im vergangenen Jahr in vielen Teilen der Welt zu beobachten war«, stellte Beeko klar.

Staaten und bewaffnete Gruppen verletzten laut Bericht im vergangenen Jahr »elementare menschenrechtliche Schutzpflichten, missachteten humanitäres Völkerrecht und begingen Kriegsverbrechen«. »Und sie taten dies, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden und ohne dafür wirksam von der internationalen Staatengemeinschaft sanktioniert zu werden, ob in Libyen, dem Jemen, in Afghanistan oder Myanmar« sowie zahlreichen afrikanischen Staaten, so Beeko. In der Ukraine habe AI unter anderem den Einsatz verbotener Streumunition durch die russische Armee verifizieren können. Zudem seien »wahllose Angriffe auf Krankenhäuser, Wohngebiete und Kindergärten« belegt.
Zugleich begrüßte AI die rasche Reaktion der EU und Deutschlands auf die mit derzeit 3,8 Millionen Betroffenen »größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg«.

Schnell und unbürokratisch seien Geflüchteten aus der Ukraine temporäre Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen erteilt worden. Im Gegensatz dazu schlage aber Geflüchteten aus dem Nahen Osten und anderen Regionen der Welt in Deutschland und der EU weiter Ablehnung entgegen. Zudem kam es zu Zehntausenden illegalen und gewaltsamen Zurückweisungen von Menschen an den EU-Außengrenzen. Auch aktuell gebe es sogenannte Pushbacks und Verstöße gegen das Recht Schutzsuchender auf ein faires Asylverfahren, sagte die AI-Asylrechtsexpertin Franziska Vilmar gegenüber »nd«.

Im Zusammenhang mit Corona konstatiert AI weitere gravierende Verletzungen sozialer Menschenrechte. Zudem sei die Pandemie in zahlreichen Ländern zur gravierenden Einschränkung von Bürgerrechten missbraucht worden. Weiter kritisiert AI, dass der Schuldenerlass im Umfang von 45 Milliarden US-Dollar für arme Staaten, auf den sich die G20-Staaten im April 2020 wegen der pandemiebedingten wirtschaftlichen Krisen geeinigt hatten, unzureichend umgesetzt wurde. Faktisch seien lediglich Verbindlichkeiten in Höhe von 10,3 Milliarden Dollar für mehr als 40 berechtigte Länder erlassen worden. Ende 2021 hätten zudem 70 Prozent vollständig Geimpften in der EU nicht einmal acht Prozent auf dem afrikanischen Kontinent gegenüber gestanden.

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