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  • Klarer Wahlsieger in Ungarn

Ukraine-Krieg nützt Viktor Orbán

Fidesz-Partei hält Distanz zur EU und erringt bei ungarischer Parlamentswahl erneut eine Zweidrittelmehrheit

  • Edmond Jäger
  • Lesedauer: 4 Min.

Dem Ungarischen Bürgerbund (Fidesz) reichten am Sonntag nach dem Wahlrecht die errungenen 53 Prozent der landesweit abgegebenen Stimmen, um im Parlament mehr als zwei Drittel der Sitze zu erhalten. Anders als etwa Deutschland hat Ungarn eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Die vereinigte Opposition, der linke und liberale Parteien, aber auch die nationalistische Jobbik angehören, konnte dagegen nur 35 Prozent der gültigen Stimmen für sich verbuchen. Neu im Parlament wird die rechtsradikale Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat) vertreten sein. Sie hatte sich von Jobbik abgespalten, weil letztere sich mit Linken und Liberalen zusammengetan hatte, um Viktor Orbán abzulösen.

Zu den Highlights eines Wahlabends gehört neben dem gespannten Blick auf die Balken der Parteien immer auch der Auftritt der Spitzenkandidaten, aus deren Worten, Blicken und Gesten sich schon für gewöhnlich Ausmaß und Wucht von Sieg und Niederlage ablesen lassen. Nicht anders war dies am Sonntagabend, als der wiedergewählte Ministerpräsident Viktor Orbán und sein Herausforderer, der gemeinsame Kandidat der Opposition, Péter Márki-Zay, an verschiedenen Orten in Budapest vor ihre jeweiligen Anhänger und die Kameras traten.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Orbán strotzte vor Stolz, als er verkündete: »Unser Sieg ist so groß, dass man ihn sogar vom Mond aus sehen kann, ganz bestimmt aber von Brüssel aus.« Er war ganz in seinem Element und teilte gegen seine Gegner aus, zu denen schon traditionell die EU (»Brüssel«), die ungarische Linke und der US-amerikanische Milliardär George Soros gehören. In diese Reihe stellte er aber auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der Orbáns russlandfreundliche Politik der vergangenen Jahre kritisiert hatte. Seine Anhänger bedachten die kampfeslustige Rede immer wieder mit »Viktor-Viktor-Rufen«.

Gedrückt war dagegen die Stimmung bei Wahlverlierer Péter Márki-Zay. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, als bekennender Konservativer eine vereinte Liste von großer politischer Breite zum Sieg über das Orbán-Regime zu führen und wollte dabei vor allem auch enttäuschte Wähler des Fidesz gewinnen. Das ist gründlich misslungen und so haben die ersten Absetzbewegungen aus der vereinigten Opposition bereits am Wahlabend begonnen.

Zunächst war Márki-Zay allein vor Anhänger und Kameras getreten und hatte eine zum Teil grotesk wirkende Rede gehalten, in der er aus seiner Familiengeschichte berichtete. Das Orbán-Regime verglich er mit dem Dritten Reich und zitierte mehrfach Jesus Christus. Erst nach einiger Zeit stellten sich auch die liberale Europaabgeordnete Anna Donáth und der links-grüne Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, den Anhängern. Die Vorsitzenden der anderen Oppositionsparteien zogen dem Scheinwerferlicht den Schutz der Menge vor und mieden die Bühne.

Karácsony präsentierte bei der Gelegenheit Budapest als Bastion der Opposition im Land und brachte sich damit erneut als der wirkliche Spitzenmann des Anti-Fidesz-Lagers ins Gespräch. Die von Karácsony geführte Hauptstadt und andere von Oppositionsparteien regierte Städte dürften nun zu den größten Leidtragenden während der nächsten Legislaturperiode zählen. Die nächste Orbán-Regierung wird den finanziellen und propagandistischen Druck auf diese Landesteile noch weiter verstärken.

Es ist noch zu früh, um die Motive der Wähler gründlich zu analysieren. Der von der Opposition verfolgte Ansatz, das Orbán-Regime für das Unterhöhlen von Rechtsstaat und Demokratie verantwortlich zu machen, scheint in einer Sackgasse angekommen zu sein. Auch das durch das Wahlrecht erzwungene Bündnis sehr unterschiedlicher Parteien scheint einige Sympathisanten gekostet zu haben. In erster Linie betrifft das wohl die nationalistische Jobbik.

Befragte Fidesz-Anhänger verweisen als Begründung für die Unterstützung dieser Partei oft auf soziale Leistungen für Rentner und Familien mit Kindern. Sie greifen böswillige Behauptungen über Oppositionspolitiker auf, die von Regierungsmedien gestreut werden. Fidesz hat es auch verstanden, den Ukraine-Krieg für sich auszuschlachten. Sich selbst stellte Orbán als Bewahrer des Friedens dar, während er der Opposition vorwarf, Ungarn in den Krieg hineinziehen zu wollen. Da Orbán eine besondere Nähe zu Wladimir Putin pflegt, ist es nicht verwunderlich, dass der russische Präsident nach Fidesz‘ Wahlsieg zu den ersten Gratulanten gehörte. Glückwünsche aus Brüssel wurden dagegen noch nicht gemeldet.

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