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Kampf um den Berliner Mietspiegel

Mietervertreter sind uneins über Folgen eines Spandauer Urteils

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Berliner Mietspiegel 2021 ist weiter gültig. Daran ändern weder ein Spandauer Amtsgerichtsurteil noch eine die Berliner Mietspiegel diskreditierende Stellungnahme des Regensburger Professors Steffen Sebastian etwas«, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.

Grund für die Aufregung ist ein in der vergangenen Woche bekannt gewordenes Urteil des Amtsgerichts Spandau (AZ 6C 395/21). Laut dem bereits am 10. Januar gefallenen Urteil sei eine Fortschreibung des Mietspiegels 2019 »rechtlich unzulässig« gewesen, da dieser bereits eine Fortschreibung der Ausgabe von 2017 gewesen sei. Eine Fortschreibung sei jedoch nur einmal möglich. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei der Auflage 2021, die aufgrund des gescheiterten Mietendeckels als Fortschreibung angelegt worden ist, weder um einen qualifizierten, noch um einen einfachen Mietspiegel. Auf Basis des Mietspiegel können Mieterhöhungen begründet werden, auch die Mietpreisbremse bezieht sich darauf.

»Gut organisierte Großvermieter, die drei passende Vergleichsmieten finden können, dürfen mit diesen Mieten nunmehr auch Mieterhöhungen weit über dem Niveau des Mietspiegels begründen«, erklärt Steffen Sebastians, Professor für Immobilienbewertung an der Universität Regensburg und Vorsitzender der Mietspiegelkommission der hauptsächlich von der Immobilienwirtschaft getragenen Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung.

»Aus einem Amtsgerichtsurteil den Schluss zu ziehen, der Berliner Mietspiegel 2021 sei ungültig, ist unseriöse Panikmache. Dass deshalb auch die Mietpreisbremse nicht anwendbar sei, ist doppelter Unfug«, so Reiner Wild vom Mieterverein. Berlin habe elf Amtsgerichte mit mehreren Dutzend Abteilungen. Maßgeblich für die Akzeptanz des Mietspiegels seien die Urteile der fünf Landgerichtskammern. Doch von diesen liege noch keine veröffentlichte Rechtsprechung der Landgerichte vor.

Weniger entspannt zeigt sich Marcel Eupen, Erster Vorsitzender des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes. »Leider muss man anerkennen, dass sehr viel mehr dafür spricht, dass wir derzeit keinen gültigen Mietspiegel haben«, sagt er zu »nd«. Fast entschuldigend fügt er an: »Das wäre eigentlich die Argumentation der Vermieterseite, aber ich halte es für falsch, die Mieter in falscher Sicherheit zu wiegen.«

Bereits anerkannt haben die Amtsgerichte Neukölln (AZ 13C 43/21) und Lichtenberg (AZ 10C 553/21) den Mietspiegel. Wenn die Qualifiziertheit des Mietspiegels nicht substantiiert angegriffen wird, sei es für die Anwendung nicht bedeutsam, ob er tatsächlich qualifiziert sei, hieß es beispielsweise im Neuköllner Urteil.

»Wir werden uns bei der Universität Regensburg und beim bayrischen Wissenschaftsministerium beschweren, wie ein Professor unter dem Briefkopf einer renommierten Universität solchen Unsinn verbreiten kann«, so Wild. »Von dem Streit, den Professor Sebastian hier befeuern will, würden zunächst nur Gutachter profitieren. Das aber würde die rechtliche Interessenvertretung der Mieter schwer beeinträchtigen, weil sie dann sehr häufig ihre Ansprüche der Kosten wegen nicht wahrnehmen würden«, so der Mieterlobbyist.

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