Werbung

Lasst uns in Frieden (44): Der Todes-Blitz

Der Atomkrieg als nie endender Alptraum

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Wahnsinn des Atomkriegs, dessen Bedrohung in den vergangenen Wochen wieder realer geworden ist, wurde kulturindustriell schon massenhaft bearbeitet. Das reicht von zahlreichen Science-Fiction-Romanen wie etwa Philip K. Dicks »Nach der Bombe«, der von einer postatomaren Gesellschaft erzählt, über den in den 80er Jahren vor allem von konservativen Rüstungsfetischisten kritisierten Hollywood-Film »The day after« bis hin zu Stanley Kubricks bitterböser Satire »Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben«.

Die vielleicht albtraumhafteste Bearbeitung des Stoffes lieferte erst vor zwei Jahren der von der Kritik zu Recht gefeierte US-amerikanische Nachwuchsautor Nana Kwame Adjei-Brenyah in seiner 30-seitigen Erzählung »Durch den Blitz«, die plötzlich zur brandaktuellen Lektüre wird. In diesem verstörenden Text voller Gewaltdarstellungen, der wirklich unter die Haut geht, erzählt der Autor von einer durchschnittlichen US-amerikanischen Vorstadtgemeinde. Die erlebt nach einem Atomschlag bis in alle Unendlichkeit immer wieder wie in einem Loop die letzten Stunden, bevor sich erst der Himmel verdunkelt, dann atomarer Niederschlag einsetzt und schließlich der auslöschende Blitz heranschießt und alles und jeden tötet.

»Du siehst, wie es die Welt auffrisst, und zweifellos bist du sein Ziel. Es kommt auf dich zugestürmt. Und als es blendend hell ist, bist du ängstlich und demütig. Bei seinem Anblick weißt du, es ist etwas, das du vermutlich bloß ein einziges Mal siehst. Etwas, das ein einziges Mal passiert und dann nie wieder. Wir haben es alle schon oft gesehen.« Denn der Albtraum wiederholt sich in dieser Fiktion bis in alle Ewigkeit.

Was in den letzten Stunden davor geschieht, verändert sich aber im Lauf der Zeit. Die blanke Panik, der Horror der sich wiederholenden mörderischen Zerstörung stellt etwas mit den Bewohnern an, die irgendwann, erst aus Furcht, dann einige aus purem Sadismus, anfangen sich gegenseitig zu massakrieren. Die aus dem Himmel kommende, alle auslöschende Gewalt der Atomexplosion spiegelt sich auf bizarre Weise im gewalttätigen Irrsinn der Menschen wider, die sich immer aberwitzigere Methoden einfallen lassen, um sich gegenseitig zu ermorden. Dabei altern sie nicht und entwickeln ein Bewusstsein für die vielen Male, die sie diesen Albtraum schon erlebt haben und immer wieder durchmachen müssen. Ein Ende ist nicht abzusehen in dieser Geschichte - die hoffentlich immer Fiktion bleibt.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.