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Leipzig will gegen Glasgow in das zweite Endspiel

RB geht gewarnt in das Halbfinale der Europa League gegen die Rangers

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt wohl weltweit keine angenehmeren Gäste als Schotten. Zumindest, wenn der Anlass des Besuchs etwas mit Fußball zu tun hat. Das hat RasenBallsport Leipzig schon zweimal erleben dürfen. Im Winter 2017 brachten die Glasgow Rangers zu einem Testspiel vor dem Rückrundenstart 8000 Fans mit, die singend und trinkend aus den Flugzeugen fielen und die Innenstadtkneipen und den Weg zum Stadion bevölkerten. Damals waren die Rangers nach ihrem Insolvenz-Crash 2012 und dem Neustart in der vierten Liga gerade wieder in die Scottish Premiership aufgestiegen und zelebrierten nach jahrelangem Europapokalentzug die Reise bei sächsischem Schneetreiben. Im Jahr darauf war Celtic Glasgow in der Europa League zu Gast in der Messestadt und kam mit 4000 Anhängern, die trotz der Niederlage bis tief in der Nacht auf den Tresen tanzten und aus vollen Kehlen ihre herzzerreißenden Chants intonierten.

An diesem Donnerstag wird es wieder emotional, laut und voll im Leipziger Zentrum. Überall wird der Slang der Glaswegians, der selbst nüchtern kaum zu verstehen ist, zu hören sein. Seit 2008 haben es die protestantischen Rangers, die von den katholischen Celtic-Fans nach der Neugründung des Vereins nur »Zombies« genannt werden, wieder in ein europäisches Halbfinale geschafft.

Kontrahent Leipzig gibt nach dem Semifinale in der Champions League 2020 seine Premiere in der Runde der letzten Vier der Europa League. Zwar hat RB wie vorgesehen nur 2400 Gästetickets vergeben, doch es sollen sich rund 7000 schottische Anhänger im Anflug befinden. Bei der Ticketbeschaffung haben unter anderem Fans des Hamburger SV geholfen, mit denen die Rangers-Supporter eine Fanfreundschaft verbindet. So werden nicht nur im Gästeblock, sondern überall im Stadion die blauen Trikots des 55-maligen schottischen Rekordmeisters leuchten. »Es fühlt sich dann wie ein Heimspiel auswärts an«, freut sich Gästetrainer Giovanni van Bronckhorst. Der Niederländer hatte den Posten gemeinsam erst im November von Steven Gerrard übernommen. »Ich kam mit meinem Team und wir mussten sofort starten. Aber es hat gut funktioniert, wir haben es zusammen geschafft«, erinnert sich der 106-malige niederländische Nationalspieler. »Ich bin sehr stolz auf die Spieler, wie sie gegen die verschiedenen Gegner aufgetreten sind.«

Dass die Rangers, die kompakt stehen, gefährlich bei Standards sind und meist über die Flügel und den schnellen, dribbelstarken Ryan Kent hervorragend umschalten, auch Dortmund ausgeschaltet haben, überraschte zunächst auch Domenico Tedesco. »Als ich dann mehr Spiele sah, gegen Celtic, Zagreb und Braga war es keine Überraschung mehr«, so Leipzigs Trainer. Was die Körperlichkeit angeht, verglich er die Rangers mit Union Berlin, das den Leipzigern am Sonnabend in den Schlussminuten der Bundesligapartie mit einem Doppelschlag die erste Niederlage nach 15 Spielen beibrachte. »Das ist eine physisch starke Mannschaft, die in der Lage ist, jeden Gegner zu bezwingen, wenn man sich auf ihr Spiel einlässt«, warnt Tedesco. Doch anders als die Berliner würde Glasgow versuchen, mehr »Fußball zu spielen, die Halbräume und die Sechser zu finden, das Spiel zu verlagern und in die Tiefe zu spielen«.

Bei RB hoffen sie, dass die Ligapleite gegen Union ein Ausrutscher zur richtigen Zeit gewesen sei. »Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir hatten viele Highlight-Spiele. Es ist dann auch mal tolerierbar, dass wir mal ein Spiel nicht so gut sind«, entschuldigte Tedesco. Gegen die Berliner seien seine Leipziger nicht nur »fußballerisch, sondern auch von der Intensität, der Frische, der Aggressivität, der Spritzigkeit her« nicht gut gewesen. Nach zwei freien Tagen soll jetzt die Energie zurück in den Köpfen und Körpern sein. »Ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Alle drei Tage zu spielen, ist ein Privileg, das beflügelt einen«, sagte Leipzigs Trainer und meinte mit Blick auf das deutsche Pokalendspiel: »Ein Finale haben wir schon erreicht, jetzt wollen wir das zweite.«

Eine Unwägbarkeit auf dem Weg zum Finale nach Sevilla ist, wie RB Leipzig die Ausfälle in der Abwehr verkraftet. Der leidenschaftliche Mohamed Simakan fällt ebenso gelb gesperrt aus wie Abwehrchef Willi Orban und Mittelfeld-Metronom Kevin Kampl. Tedesco deutete an, zum ersten Mal in seiner Amtszeit eine Viererkette aufzustellen, mit der das Team unter Vorgänger Jesse Marsch selten zurechtkam. »Viererkette musst du spielen können, das ist kein Risiko«, betonte der gebürtige Italiener.

Leipzig ist also bereit für den Besuch aus Glasgow - auf dem Platz und an den Zapfhähnen. »Wir sind glücklich darüber, dass eine Menge Fans kommen und wir bei großartiger Atmosphäre spielen«, sagte Tedesco, schränkte aber ein: »In meinem Hotel haben sie mir gesagt, dass sie 300 Rangers-Fans erwarten. Ich werde deshalb in den nächsten beiden Tagen in der Akademie schlafen«, scherzte er. Übrigens: In den legendären Ibrox-Park in einer Woche wird RasenBallsport von etwa 1000 Fans begleitet, wie der Klub auf Nachfrage mitteilte. Den Fanvergleich können die knapp 13 Jahre jungen Leipziger gegen den 150 Jahre alten Glasgower Giganten nicht gewinnen.

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