Was tun gegen den Krieg! Aber was?

In Zeiten wie diesen kommt es auch auf Stimmen an, die sich dem Sog des Militärischen widersetzen

Zwei offene Briefe sorgten in den letzten Tage für viel Aufregung. In beiden wird der Bundeskanzler zu Besonnenheit im Umgang mit dem Ukraine-Krieg aufgefordert; auch dazu, dem Druck nach immer mehr und immer schwereren Waffe für die Ukraine nicht nachzugeben. Die Absenderkreise sind einigermaßen ähnlich - Künstler, Schriftsteller, Politikwissenschaftler Publizisten, Juristen, Theologen. Daniela Dahn, Rolf Gössner, Luc Jochimsen und Ruth Misselwitz etwa haben den einen unterzeichnet; Andreas Dresen, Antje Vollmer, Alexander Kluge und Ranga Yogeshwar beispielsweise den anderen. Frauen und Männer des Wortes. Dass sie auch Frauen und Männer des Geistes seien, wird ihnen von manchen Kritikern vehement abgesprochen; der Begriff Intellektuelle bekommt in der Polemik einen giftigen Klang.

Und polemisieren lässt sich natürlich anhand dieser Briefe, die beide vom Wunsch getragen sind, den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden, die Angriffe der russischen Truppen endlich zu stoppen. Das ist ein Konsens, den wohl sehr viele Menschen teilen, denen dieser Krieg mehr als die üblichen Sorgen beim Nachrichtenhören bereitet. Auf die Leiden der Menschen in der Ukraine wird hingewiesen, auf die atomare Gefahr, auf das Risiko, dass dieser Krieg zu einer noch viel größeren Tragödie führen kann. Und dass dazu die Ströme von Waffen, die in die Kriegsregion gepumpt werden, entscheidend beitragen können.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Das ist ein Punkt, an dem sich die Geister scheiden und um den mit zunehmender Schärfe gestritten wird. Es ist erstaunlich und erschreckend, in welch rasender Geschwindigkeit es völlig normal geworden ist, über die Lieferung von Panzern und Kampfflugzeugen zu reden, als handele es sich um Getreide oder Orangen. Wenn das so weitergeht, wird das Bekenntnis zu immer mehr Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet demnächst die Zutrittsberechtigung zu öffentlichen Debatten, so wie es bis vor Kurzem noch der Impfnachweis für öffentliche Einrichtungen war.

Neben Richtigem steht in diesen Briefen auch einiges, worüber gestritten werden darf und muss. Erwägungen darüber, ob die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation allein beim Aggressor liegt, können von den Angegriffenen nur als Hohn betrachtet werden. Und wie verlässliche russische Zusicherungen für den Fall aussehen sollen, dass die Ukraine ihren Widerstand aufgäbe, ist nach den bisherigen Erfahrungen in diesem Krieg nicht vorstellbar. Überhaupt: Muss nicht jeder Vorschlag von außen an die Ukrainer, die Verteidigung zu beenden, um weitere Kriegsgräuel und Verwüstungen zu verhindern, den Überfallenen weltfremd erscheinen?

Diese beiden offenen Briefe sind Ausdruck der Ohnmacht und der Verzweiflung angesichts einer schier unaufhaltsamen Kriegsmaschinerie, die aus sich heraus immer neue Gewalt gebiert. Und es ist ja auch zum Verzweifeln, wenn man sieht, dass Argumente der Vernunft kaum noch eine Rolle spielen. Dass es immer weniger um einen Waffenstillstand geht, sondern nur noch um ein Siegen- und Besiegenwollen fast um jeden Preis. Bei manchem auch um ein Vernichtenwollen. Wann sind eigentlich von wem zuletzt ernst gemeinte Verhandlungen geführt worden? Die russische Führung verschanzt sich hinter ihrer Ideologie und ihrer atomaren Schlagkraft; der Westen setzt auf viel Geld und eine riesige Kriegswirtschaft. Und die Ukraine geht vor die Hunde.

Niemand will dabei einfach zusehen. Jeder hat doch das Gefühl, dass man etwas tun müsste. Aber was? In solchen Zeiten kommt es auch auf Stimmen an, die sich dem Sog des Militärischen widersetzen, ohne gleich unter Zynismusverdacht gestellt zu werden. Die Nein sagen zu Panzerkolonnen. Die zu bedenken geben, dass es das Ende wäre, wenn nur noch Kanonen sprechen und nicht mehr Menschen. So utopisch das auch klingen mag angesichts der täglichen Horrormeldungen.

Es ist leicht, über solche Aufrufe und Briefe zu spotten, weil sie immer etwas Hilfloses haben vor der rohen Gewalt des Krieges. Und es ist auch leicht und wohlfeil, solche Stimmen als Spinnerei abzutun, weil der militärische Moloch längst grausame Fakten geschaffen hat, die die Rückkehr zu einem wie auch immer gearteten friedlichen Zusammenleben fast unvorstellbar machen. Wer auf einen Frieden setzt, der ausschließlich mit Waffen erzwungen wird, sollte wissen: Selbst Sieger können sich zu Tode siegen.

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