Patriotische Staatstreue und Propagandakritik

Russlands Kommunisten zwischen Jubel und Kritik am Krieg in der Ukraine

  • Roland Bathon
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit ihrem Nein zum Krieg in der Ukraine sorgte eine Gruppe von Regionalabgeordneten der kommunistischen KPRF vergangene Woche russlandweit für Schlagzeilen. Während einer öffentlichen Sitzung in Wladiwostok gingen sie auf Konfrontationskurs zu ihrer kriegsbegeisterten Parteiführung. Nicht nur der örtliche Gouverneur bezeichnete die Aktion als »Verrat«. Auch ihr eigener Fraktionsvorsitzender kündigte ihnen »härteste Konsequenzen« an.

Das Verhalten des Fraktionschefs passt zum Kurs der Kommunisten, die Wladimir Putins Invasion von Beginn an unterstützen. Sie sehen den Krieg gegen die Ukraine offiziell als Kampf gegen den US-Kapitalismus, obwohl ihnen bewusst ist, dass die eigene Seite trotz roter Fahnen an Kampfpanzern keine sozialistische Alternative ist. Denn das russische Establishment rund um die Putin-Partei »Einiges Russland« verfolgt eine nationalkonservative bis reaktionäre Politik.

Ein wirklich gutes Verhältnis zum inneren Zirkel der Macht hat die KPRF trotz des Anbiederungskurses nicht erreicht. Der Kreml beanspruche das Thema Patriotismus für sich und brauche keine echten Konkurrenten, stellt dazu die Moskauer Zeitung »Nesawissimaja Gaseta« fest. »Offensichtlich agiert hier die Kommunistische Partei als Störfaktor, um diese Machtagenda abzufangen«, zitiert sie den Innenpolitik-Experten Konstanstin Kalatschjow.

Die Regierung sieht die Kommunisten nicht als wirkliche politische Gegner. Sie gelten eher als Reservatsmacht, die auf der Linken ältere Sowjetnostalgiker und jüngere Linke an sich binden darf. Für den Kreml ist das wesentlich komfortabler, als wenn sich aktive Sozialisten an kleinere, wirklich oppositionelle Bewegungen, wenden. Wenn sich die KPRF, wie etwa durch den populären früheren Präsidentschaftskandidaten Pawel Grudinin, zu stark als ernstzunehmende Opposition profiliert, werden die Flügel gestutzt.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade Grudinin aktuell wieder von regierungsnahen Medien angegriffen wird. Offizieller Grund sind Beschwerden von Anwohnern über angeblich gestiegene Preise in den Geschäften der von ihm mitbegründeten Siedlung und für die von seinem Betrieb hergestellten Produkte. Dass man sich im landesweiten TV umfangreich einer solchen Provinzposse widmet, hat fast sicher einen politischen Hintergrund.

Ein zunehmend schlechteres Verhältnis der KPRF zur Macht zeigt sich auch in Äußerungen kommunistischer Kriegsbefürworter, etwa in der parteinahen Zeitung »Prawda«. Der bekannte Kolumnist Oleg Podgorezky stellte sich in einem Beitrag in der letzten Woche zwar nochmals demonstrativ hinter den Ukraine-Feldzug. Dennoch sparte er nicht mit Kritik an der Kriegsführung und -propaganda des Kreml.

Er kritisiert, dass die Regierung über die Ziele schweigt und die Realität des Krieges deutlich abweiche von den Berichten von Putins Untergebenen an den Kreml. Doch auch Podgorezkys Artikel ist keine »Generalabrechnung« mit dem System. Wie viele russische Kommunisten ist er gefangen im sowjetischen Denken einer Zwangsunion, die auch Unzufriedene zu akzeptieren haben. So weit ist das geistig von den Planungen des Kreml nicht entfernt.

Es passt auch nicht zu den oppositionellen Wählern, die die KPRF bei der letzten Dumawahl noch für sich begeistern konnte. Die lehnen den Krieg ab. Da wiederum der Kreml darauf achtet, dass sie sich auch aus dem regierungsnahen Lager keine zu großen Stücke abbeißen, ist die Zukunft von Russlands Kommunisten ungewiss – außerhalb des ihnen zugewiesenen Reservats. Zwei der rebellierenden Abgeordneten haben auch in der KPRF keine Zukunft mehr. Am 1. Juni wurden sie aus der Fraktion ausgeschlossen.

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