• Berlin
  • Architekturgeschichte

Den rosa Riesen retten

Petition gegen Entstellung einer Ikone

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Architekturgeschichte: Den rosa Riesen retten

Berlin. Wer beim Blick über die Berliner Skyline das ehemalige GSW-Hochhaus an der Kreuzberger Rudi-Dutschke-Straße streift, bleibt unweigerlich hängen, zumindest nachmittags. Denn die Westfassade des Gebäudes ist ein Traum in rosa bis blutorange. Ein ungewöhnlicher Anblick, denn sonst sind Hochhäuser entweder ganz hell, oder die vollverglasten Exemplare dunkelblau bis schwarz.

Doch der jetzige Eigentümer, die Sienna Real Estate Property, möchte die Sonnenschutzelemente austauschen. Statt der in Rottönen changierenden Aluminiumpaneele soll künftig ein textiles System in Standardfarben die Verschattung gewährleisten.

»Mit dem Austausch der Sonnenschutzanlage wird der einzigartige ikonografische Charakter des Gebäudes zerstört«, kritisiert Julia Dahlhaus das Vorhaben. Sie ist Berliner Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA. Der BDA Berlin fordert, dass »im Sinne der Baukultur und auch der Nachhaltigkeit die bestehende Sonnenschutzanlage instandgesetzt wird« und ruft die Öffentlichkeit zur Unterstützung einer Online-Petition auf.

Gestartet hatten die inzwischen von über 3000 Menschen unterzeichnete Online-Petition die Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton als Offenen Brief. Zu den Erstunterzeichnenden gehören unter anderem die Künstler*innen Ólafur Elíasson und Katharina Grosse, die Architekten Volkwin Marg und Daniel Libeskind sowie die einstige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Sie hatten das 1999 fertiggestellte Hochhaus entworfen, dessen Energiekonzept einer gesteuerten natürlichen Belüftung mit Abluftfassade Ende der 90er Jahre einen Ausblick in die Zukunft wagte und auch gestalterisch prägend wurde.

Das Ensemble wurde im Jahr 2000 mit dem Architekturpreis Berlin ausgezeichnet. Zahlreiche weitere Preise unterstreichen die internationale Wertschätzung dieses richtungsweisenden Baus, der bereits vor über 20 Jahren zeigte, wie nachhaltiges Bauen auch gestalterisch überzeugend gelingen kann. Es drohe eine »unwiederbringliche Entstellung dieser Architektur«, so der BDA.

2005, sechs Jahre nach Fertigstellung, hatte die GSW ihren Firmensitz für 60 Millionen Euro verkauft. Wohl kein gutes Geschäft, denn die Baukosten waren zuvor mit 180 Millionen Mark angegeben worden – umgerechnet etwa 92 Millionen Euro. Doch das ist wohl der kleinste Skandal beim Verkauf der gesamten, einst landeseigenen GSW mit ihren rund 65 000 Wohnungen, der 2004 erfolgt ist. Die übernommenen Schulden mitberechnet, verkaufte der Senat das Unternehmen für rund zwei Milliarden Euro an zwei Fondsgesellschaften. Nun gehören die Wohnungen der Deutsche Wohnen, die ihrerseits im vergangenen Jahr mehrheitlich von Europas größtem Vermieter Vonovia übernommen worden ist. Bekanntlich haben knapp 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner im Herbst vergangenen Jahres beim Volksentscheid für die Sozialisierung des Unternehmens gestimmt.

Das GSW-Hochhaus firmiert seit einigen Jahren unter dem Namen Rocket Tower, denn inzwischen hat das Unternehmen Rocket Internet dort seinen Sitz. Nicolas Šustr

Die Online-Petition auf Change.org ist zu finden unter dem Kurzlink https://t1p.de/y08ak

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