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  • Parlamentswahl in Frankreich

Preisstopp und Reichensteuer

Mit Alternativen zu Präsident Macrons Politik will das neue Linksbündnis Nupes bei der Parlamentswahl punkten

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 5 Min.

Nupes, die Neue ökologische und soziale Volksunion (Nouvelle union populaire ecologique et soziale) ist im Mai gegründet worden, um für die versprengten und einflusslos gewordenen linken Kräfte wieder politisches Gewicht zurückzugewinnen. Präsident Macron sieht in diesem Zusammenschluss von Mélenchons Bewegung La France insoumise mit den Grünen, Sozialisten und Kommunisten sowie weiteren kleineren Bewegungen offensichtlich eine echte Gefahr für die Wiedergewinnung der absoluten Mehrheit im Parlament durch seine eigene Bewegung.

Mélenchon rechnet bei einem massiven Wahlerfolg des linken Bündnisses Nupes damit, dass der Präsident dann gezwungen ist, ihn zum Premierminister zu ernennen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Eine solche «Cohabitation» eines rechten Präsidenten mit einer linken Regierung oder umgekehrt hat es schon mehrfach in der Geschichte der Fünften Republik gegeben.

Jean-Luc Mélenchon hat im Wahlkampf vor allem und immer wieder Macrons Legitimität und Machtanspruch angegriffen: Dieser habe die Präsidentschaftswahl nur gewonnen, weil die Mehrheit der Wähler den Rechtsextremen den Weg an die Macht versperren wollten. Dem Präsidenten und dessen Politik stellte Mélenchon die im Regierungsprogramm der Linken zusammengefassten Alternativvorschläge für eine dringend nötige Wende und einen «neuen Kurs des Landes» entgegen. Macrons Politik neoliberaler Reformen habe in den zurückliegenden fünf Jahren einen «sozialen Kahlschlag» hinterlassen, die der Präsident in der bevorstehenden Amtszeit ohne größere Änderungen fortsetzen wolle.

Das gemeinsame Regierungsprogramm des Wahlbündnisses Nupes sei keine Fusion der Programme der beteiligten Bewegungen und Parteien, weil das nicht möglich gewesen wäre. Es fasse aber zusammen, was sie eint, und das sei die übergroße Mehrheit ihrer Ziele, stellte Mélenchon klar. Der Rest wurde bei der Ausarbeitung ausgeklammert. «Worüber wir uns beim besten Willen nicht einigen können, macht vielleicht fünf Prozent der aktuellen Themen aus», sagte Mélenchon.

Das Programm gliedert sich in acht Kapitel mit insgesamt 650 geplanten Maßnahmen. Im Kapitel «Sozialer Fortschritt, Beschäftigung und Rente» wird vor allem die Anhebung des Mindestlohns auf 1500 Euro netto im Monat bei einer Vollzeitstelle angekündigt, die Rückkehr zur Rente ab 60, ein Preisstopp für Grundnahrungsmittel und die Einberufung einer Konferenz der Regierung mit den Sozialpartnern über einheitliche Beschäftigungs- und Arbeitszeitregeln und gegen prekäre Arbeitsverhältnisse.

Die von Macron abgeschaffte «Reichensteuer» Rsi soll wieder eingeführt und um Klimaschutz-Kriterien ergänzt werden. Um mehr Steuergerechtigkeit herzustellen, soll die von Macron eingeführte Flat Tax für höchste Einkommen abgeschafft und 14 Besteuerungsstufen eingeführt werden, derzeit sind es nur vier. Erbschaften sollen stärker besteuert werden, bei mehr als zwölf Millionen Euro zu 100 Prozent. Diese besonderen Steuereinnahmen sollen für die Förderung der Ausbildung, des Berufseinstiegs und der materiellen Autonomie der jungen Franzosen verwendet werden.

Im Kapitel «Ökologie, Biodiversität und Klima» visiert das linke Bündnis eine Senkung der Klimagasemissionen um 65 Prozent bis 2030 an, was Nupes selbst «extrem ambitiös» nennt. Das umstrittene Thema Kernenergie, deren Beibehaltung nur von den Kommunisten verteidigt wird, taucht im Programm nicht auf. Zu den erneuerbaren Energien wird nur sehr allgemein festgestellt, dass sich ihr Anteil an der Energieproduktion «stark erhöhen» soll. Um das zu präzisieren, seien weitere Verhandlungen zwischen den Bündnispartnern nötig, sagte Mélenchon. Dies treffe auf 33 der insgesamt 650 Maßnahmen im Programm zu.

Zu diesen von Mélenchon «Nuancen» genannten Meinungsverschiedenheiten gehört auch die Forderung der Kommunisten, dass die Betriebsräte ein Vetorecht gegen Massenentlassungen bekommen sollten, was Sozialisten und Grüne ablehnen. «Bei anhaltenden Differenzen in derartigen Fragen wird das Parlament das letzte Wort haben», urteilt Mélenchon.

Im Kapitel «Sechste Republik und Demokratie» plädiert Nupes für eine Ablösung des Präsidialsystems zugunsten von mehr Rechten des Parlaments. Zudem strebt das Bündnis Volksentscheide und weitere Instrumente direkter Demokratie an. Mélenchon kritisiert Macrons «selbstherrlichen» Regierungsstil und seine «Sucht, alles selbst entscheiden zu wollen». Das sei bis zur «Umfunktionierung» der Verteidigungsräte gegangen, die eigentlich für Situationen akuter militärischer oder terroristischer Bedrohungen gedacht sind, und die Macron für die Bekämpfung des Covid-Virus «zweckentfremdet» habe.

Zur Europäischen Union war «die Einigung sehr einfach, weil keiner der Bündnispartner den anderen seine Position aufdrängen wollte», versicherte Mélenchon in Anspielung auf seine ursprüngliche Absicht, zu «staatsbürgerlichem Ungehorsam» aufzurufen, wenn Direktiven oder Maßnahmen der Europäischen Union dem eigenen Regierungsprogramm zuwiderlaufen«. Dazu wird im Programm festgestellt, dass EU-Regeln »umorientiert« werden können, indem sie »nicht befolgt oder ihre Umsetzung zeitweise ausgesetzt« werden kann. Dazu haben die Sozialisten inzwischen klargestellt, dass »Frankreich als eines der Gründungsländer der Europäischen Union keine Politik verfolgen darf, die auf einen Austritt, eine Aufgabe des Euro oder auf eine schrittweise Zersetzung der EU hinausliefe.«

Zur Nato sagte Mélenchon: »Jedermann weiß, dass ich für einen Austritt Frankreichs plädiere, aber das steht nicht im Programm, denn ich wollte das auf keinen Fall den Partnern aufzwingen und dadurch das Zustandekommen der Union gefährden. Das wäre ein Geschenk für unsere Gegner gewesen.« Im Programm wird festgehalten, dass »die Uno das einzige legitime Organ für die Gewährleistung der kollektiven Sicherheit im Weltmaßstab« ist.

Schon vor Wochen haben sich die Partner des Wahlbündnisses scharf gegen ein Rundschreiben des Innenministeriums an die Präfekte der Departements gewandt, in dem diese angewiesen wurden, die linken Kandidaten und die für diese abgegebenen Wählerstimmen nicht dem Bündnis Nupes, sondern den einzelnen Parteien oder Bewegungen zuzuordnen. Dagegen sollten die für Macrons Bewegung En marche und für die mit ihr verbündeten Zentrumsparteien abgegebenen Stimmen unter ihrem Wahlbündnisnamen Ensemble! (Zusammen!) addiert werden. Diese Ungleichbehandlung stelle ein »Manöver« mit dem Ziel einer »Verschiebung der öffentlichen Wahrnehmung« der Union der Linken dar, so Mélenchon. Nach einer Klage der Nupes beim Staatsrat, dem Obersten Verwaltungsgericht, entschieden die Richter am vergangenen Dienstag, das Innenministerium habe unrecht und müsse alle Wahlbündnisse gleich behandeln.

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