Umverteilung ja, aber transparent

Ulrike Henning meint, es ist Zeit für eine Krisenkosten-Debatte

Wer mit Erdgas heizt, muss schon seit Ende letzten Jahres einen kräftigen Kostenanstieg verkraften. Aber nun scheint die Freude an neuen Schreckenszenarien für Herbst und Winter regelrecht hochzukochen. Als wären die sozialen Dissonanzen der Pandemie längst vergessen, wird eine neue Dimension von Verwerfungen herbeigeredet, als gäbe es keine Abhilfe. Von Mehrbelastungen bis zu 3000 Euro je Familie allein durch eine absehbare Gasknappheit spricht etwa der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Und erläutert gleich, was das bedeuten kann: Keine neue Waschmaschine, keine Urlaubsreise sei dann noch drin.

Sparaufrufe setzen auf Angst: Wer jetzt nicht zu Frieren und Verzicht bereit ist, der hat die nächste Rezession auf dem Kerbholz. Wenn ihr weiter warm duscht, dann macht eure Firma bald zu. Wenig nützt, die erhöhte Zahlung einfach auf später zu verschieben. Also noch einen Winter heizen, aber dann die Miete überhaupt nicht mehr zahlen können?

Zerreißprobe scheint das Wort des Sommers zu werden. DIW-Chef Marcel Fratzscher warnt die Politik vor dem Versuch, »mit Placebos wie Einmalzahlungen Menschen ruhig zu stellen«. Was aber dann? Lohnangleichungen nach oben oder ein großzügiger sozialer Klimabonus, wie ihn Linke-Politiker vorschlagen?

Die Möglichkeiten und ihre Effekte durchzurechnen, wäre das Gebot der Stunde. Ebenso, hier Transparenz walten zu lassen. Eine Übergewinnsteuer könnte einiges richten. Aber es geht nicht nur um eine Umverteilung aus der Not, sondern auch darum, sich klimapolitisch nicht wieder zu verrennen, wie in den langen Jahren, als das Gas aus dem Osten als Lösung aller Energieprobleme propagiert wurde.

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