- Politik
- Christian Schmidt
Undiplomatisch
Christian Schmidt hat Ärger als Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen
Es gibt Ämter, die erfordern ein hohes Maß an politischer Sensibilität und diplomatischem Geschick. Auf solchen Posten ist es weniger wichtig, hart zu verhandeln, als vielmehr mit Gespür zu vermitteln. Unzweifelhaft handelt es sich beim Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina um genau solch eine Position. Seit August vergangenen Jahres bekleidet Christian Schmidt dieses Amt. Er ist damit oberster Vertreter der Vereinten Nationen in einer Region, die über Jahrzehnte durch Krieg, Hass, Verfolgung und tödlichen Nationalismus gebeutelt wurde. Schmidt ist allerdings viel mehr als ein Botschafter. Als Hoher Repräsentant überwacht er die Umsetzung des Daytoner Friedensabkommens, das 1995 nach dreieinhalb Jahren und 100 000 Toten den Krieg beendete. In der Theorie besitzt Schmidt demokratisch fragwürdige Vollmachten: Der CSU-Politiker kann gewählte Politiker absetzen, neue Behörden installieren und sogar Gesetze erlassen. In einem zerrütteten Land wie Bosnien und Herzegowina kann das leicht zu politischem Sprengstoff werden.
Genau das geschah vor einigen Tagen, als ein Dokument in der Öffentlichkeit auftauchte, wonach Schmidt Änderungen im Wahlgesetz vorbereite. Bosniaken warfen ihm daraufhin vor, die Spaltung des Landes voranzutreiben und kroatischen Nationalisten in die Hände zu spielen. Vor dem Büro des Hohen Repräsentanten in Sarajevo demonstrierten deshalb diese Woche Tausende Menschen, Schmidt rückte daraufhin von seinen Plänen ab.
Ist der CSU-Politiker geeignet für die heikle Aufgabe? Eigentlich war Schmidt 2021 längst über das Ende seiner politischen Karriere hinaus gewesen, sein höchstes Amt in der Bundespolitik übte er von 2014 bis 2018 als Landwirtschaftsminister aus. Weil er 2017 entgegen geltenden Absprachen auf EU-Ebene für eine erneute Glyphosat-Zulassung stimmte, gab es großen Krach in der damaligen Koalition von Union und SPD. Man kann auch sagen: Schmidt verhielt sich völlig undiplomatisch. Keine gute Voraussetzung für einen Politiker in heikler Mission.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.