Weiter Weg zu mehr Gleichberechtigung

Ein Antrag zur Einführung einer Frauenquote sorgt in der CDU für lauten Widerspruch

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Friedrich Merz war nie ein Befürworter der Frauenquote – daraus macht der CDU-Bundesvorsitzende keinen Hehl. Doch seit er die Parteiführung im Frühjahr übernahm, kann der 66-Jährige nicht einfach jene Stimmen übergehen, die sich seit mehr als zwei Jahren vehement für mehr Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauenunion, ist genauso dafür wie die stellvertretende Bundesvorsitzende Karin Prien. Mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther setzt sich zudem eine prominente männliche Stimme vom liberalen Flügel der Partei dafür ein, dass die CDU konkrete Maßnahmen unternimmt, um die Position von Frauen in der Partei zu stärken. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Der Frauenanteil stagniert seit den Neunzigerjahren bei etwa 25 Prozent, was sich auch in den Mandaten und wichtigen Spitzenpositionen widerspiegelt. In der Unionsfraktion sitzen nur 23 Prozent weibliche Abgeordnete, eine CDU-Ministerpräsidentin gab es zuletzt bis 2018 mit Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland und mit Ausnahme des hessischen Landtags führt nirgendwo eine Frau eine Landtagsfraktion der Konservativen an.

Auf dem Bundesparteitag in Hannover liegt den Delegierten nun ein Antrag des Bundesvorstands vor, den Merz als einen von ihm mühsam ausgehandelten Kompromiss zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen einer Frauenqoute verkauft. Demnach sollen ab 2023 alle CDU-Vorstandsämter ab der Kreisebene mit 30 Prozent Frauen besetzt werden, die Quote soll dann schrittweise zum 1. Januar 2024 auf 40 Prozent und ab dem 1. Juli 2025 auf 50 Prozent steigen. Allerdings: Die Regelung würde zunächst nur befristet für fünf Jahre gelten, es soll zudem eine Evaluation geben. Ähnliches ist bei der Aufstellung für Listenplätze bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen angedacht. »Wenn wir etwas verändern wollen, dann müssen wir an unsere Strukturen heran«, warb Merz kürzlich im »Focus« für die geplante Satzungsänderung. Mit ähnlichen Worten dürfte der Bundesvorsitzende auch in Hannover zu überzeugen versuchen. Denn klar ist: Obwohl die geplante Regelung nach zweieinhalb Jahren parteiinterner Debatte bereits eine Kompromisslösung darstellt, gibt es weiterhin vehemente Gegner*innen, die den Beschluss einer Frauenquote in Hannover verhindern wollen.

Dem Parteitag liegen mehrere Anträge zur Abstimmung vor, die Quoten-Pläne abzuschwächen oder sogar komplett zu kippen. Klar gegen die Regelung positionieren sich der CDU-Nachwuchsverband Junge Union und ihr Vorsitzender Tilman Kuban, aber mit Gitta Connemann, Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, auch eine einflussreiche Frau. Skeptisch äußert sich zudem der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf.

Seine Argumentation und die auch vieler anderer Quoten-Gegner*innen: Viel mehr brauche es in der praktischen Parteiarbeit Veränderungen und mehr Flexibilität, etwa was Dauer und Zeitpunkt von Gremienarbeit angeht. Schließlich kümmerten Frauen sich in der Regel noch immer größtenteils zu Hause um die Kindererziehung. Ironischerweise ein Familienbild, an dem gerade Konservative oft vehement festhalten. Um ihre Ablehnung einer Frauenquote auszudrücken, bemüht der Kreisverband Mittelsachsen sogar das Grundgesetz. So sei die in Artikel drei verankerte Gleichberechtigung von Frauen und Männern »in Deutschland bereits erreicht«. Einen anderen Weg beschreitet der Kreisverband Vechta. Dieser möchte zunächst eine bundesweite Mitgliederbefragung durchführen. Dass die Frauenquote mit breiter Mehrheit beschlossen wird, ist also alles andere als gewiss.

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