Im Libanon gehen die Lichter aus

Ölknappheit zwingt staatliche Gesellschaft zur Einschränkung der Stromversorgung

  • Karin Leukefeld, Beirut
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie machen Kasse: Die Besitzer von Generatoren im Libanon, die privat Strom verkaufen. Ihre Preise gehen derzeit durch die Decke. Doch viele Kunden springen ab. Zahlreiche Menschen haben ihren Strom komplett abgeschaltet, wie Gesprächspartner in Beirut dem »nd« berichteten. Er habe bisher 160 US-Dollar monatlich für Strom aus dem Generator bezahlt, sagte ein Journalistenkollege. Nun solle er 100 US-Dollar mehr, also 260 US-Dollar bezahlen, das sei mehr als die Hälfte seines Gehaltes. Die Preise für Benzin haben sich vor wenigen Tagen ebenfalls verdoppelt, weil die Zentralbank die Subventionen gestrichen hat.

Der Iran hatte dem Libanon Anfang August kostenlose Öllieferungen angeboten, woraufhin die US-Botschaft in Beirut mit scharfer Kritik und Warnungen reagierte. Dennoch wird nun eine Delegation unter Leitung von Interims-Energieminister Walid Fayyad in den Iran geschickt, um Einzelheiten zu besprechen.

Derweil scheinen die Verhandlungen über die Seegrenze zwischen Libanon und Israel Fortschritte zu machen. Dabei geht es um die Zuordnung der beiden Ölfelder Qana und Karish, an denen beide Länder Anteile beanspruchen. Der Libanon hat vorgeschlagen, die Seegrenze so zu ziehen, dass Karish südlich der Grenze Israel zugeordnet werden solle. Qana liege demnach nördlich der Grenze in der libanesischen maritimen Wirtschaftszone. Beide Seiten sollten auf ihre jeweiligen Ansprüche an dem anderen Gasfeld verzichten. Israel hat dem bisher nicht zugestimmt, sondern Libanon angeboten, das Gas aus dem Qana-Gasfeld zu fördern und für den Libanon anteilig zu verkaufen. Libanon lehnt das ab.

Der Chef der Libanesischen Sicherheitskräfte, Generalmajor Abbas Ibrahim, äußerte sich nach den jüngsten Gesprächen mit dem US-Sonderbeauftragten für Energiesicherheit, Amos Hochstein, in Beirut vorsichtig optimistisch. Nach zwei Jahren Verhandlungen deute vieles darauf hin, dass man das Thema abschließen könnte, sagte Ibrahim im Gespräch mit dem libanesischen Fernsehsender Al-Jadeed. »Wir sprechen von Wochen, vielleicht Tagen, bis die Frage der Grenzziehung zum Abschluss gebracht werden kann.«

Hochstein hatte sich am 9. September für einige Stunden in Beirut aufgehalten und nach Treffen mit Präsident Michel Aoun und dem stellvertretenen Parlamentspräsidenten Elias Bou Saab von »guten Fortschritten« gesprochen. Libanesischen Medienberichten zufolge habe Hochstein Koordinaten vorgelegt, die die Grenzziehung mit Seebojen festlegen sollen. Sollte der Libanon zustimmen, werde Hochstein in wenigen Tagen beiden Seiten einen »Gesamtvorschlag« vorlegen. Bou Saab sagte nach den Gesprächen, die Vorschläge gingen in die »richtige Richtung«, man werde den September nutzen, um sie weiter zu prüfen.

Israel hatte ursprünglich angekündigt, mit der Gasförderung im Karish-Feld Mitte September beginnen zu wollen. Hisbollahführer Hassan Nasrallah hatte daraufhin erklärt, solange keine Seegrenze gezogen wurde und der Libanon endlich mit der Förderung in den eigenen Gasfeldern beginnen könne, werde auch Israel kein Gas fördern. Sollte Israel es dennoch versuchen, werde die Förderplattform im Karish-Gasfeld zerstört.

Auf Wunsch der Betreiberfirma Energean hat Israel inzwischen die Förderung von Gas auf der Plattform Karish auf die zweite Oktoberhälfte verschoben. Energieministerin Karine Elharrar erklärte die Verschiebung mit »komplizierten technischen Arbeiten« auf der Plattform.

Die Einigung über die beidseitige Seegrenze hat viele Hindernisse zu überwinden. Die USA verhandelt seit Jahren im Interesse Israels, Gespräche unter dem Dach der UN-Beobachtermission Unifil schleppten sich hin. Verträge des Libanon mit drei internationalen Ölfirmen (Total, Eni, Novatek) wurden infolge US-Drucks auf die Firmen bisher nicht umgesetzt.

Auch innenpolitische Gründe in den USA, im Libanon und in Israel spielen eine Rolle. US-Präsident Joe Biden steht vor den Midterm-Wahlen und möchte sich mit einer Einigung über die Seegrenze zwischen Libanon und Israel als erfolgreichen Vermittler darstellen. Zudem sind die USA an einer zügigen Gaslieferung aus dem östlichen Mittelmeer an Europa interessiert, um die EU weiter auf Kurs in der Konfrontation mit Russland zu halten.

Israel steht derweil vor Parlamentswahlen. Eine Einigung über die Seegrenze, die den Interessen des Libanon entspricht, könnte in Israel als Niederlage von Interims-Ministerpräsident Jair Lapid gesehen werden und den langjährigen Amtsinhaber Benjamin Netanjahu wieder an die Regierung bringen. Im Libanon läuft die Amtszeit von Präsident Michel Aoun aus, der im Falle einer guten Vereinbarung über die Seegrenze sein Image aufbessern könnte.

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