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Erkenntnis-Globuli
Die Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim nutzte ihre ZDF-Sendung für Aufklärung über Homöopathie
»Habt ihr Bock auf Wissenschaft?«, begrüßt die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim ihr Publikum in der jüngsten Folge ihrer ZDF-Show »Mai Think X«. »Das Ende der Homöopathie« war deren Titel. Nguyen-Kim, die für ihre Form der Wissenschaftsvermittlung gelobt wird, sorgt für gesteigerte Aufmerksamkeit – insbesondere im digitalen Raum –, indem sie die Inhalte ihrer Sendung rund um das fiktive Getränk »HomöopaTea«, einem Eistee mit Globuli, arrangierte.
Als die 1987 geborene Naturwissenschaftlerin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk im April vergangenen Jahres verpflichtet wurde, wirkte das wie ein Coup. Ein junges Gesicht mit der erforderlichen Expertise sollte eher dröge Themen einem Publikum mit Verve näherbringen. Seitdem ballert Nguyen-Kim, die an der Universität Potsdam promoviert wurde und sich vor ihrer ZDF-Karriere als Youtuberin verdingte, knallbunte Beiträge mit Schwerpunkten wie Künstlicher Intelligenz, grüner Gentechnik oder Schwangerschaftsabbrüchen raus. Mit Erfolg – die Moderatorin erfreut sich großer Beliebtheit.
Wer würde auch nicht sympathisieren mit dieser unterhaltsamen Abrechnung, die gegen die Homöopathie-Quacksalber schießt? Es ist bezeichnend für den morbiden Charakter des hiesigen Gesundheitssystems, dass Zauberkugeln von Krankenkassen subventioniert werden, während starke Seheinschränkungen für gesetzlich Versicherte ruinös sein können. Dennoch bleibt ein übler Beigeschmack bei dieser Art von Wissenschaftsvermittlung, die viel Vermittlung und wenig Wissenschaft beinhaltet. Nguyen-Kim ist symptomatisch für die Programmpolitik öffentlicher Rundfunkanstalten, in denen Wissenschaft (von Hochkultur ganz zu schweigen) nur Thema sein darf, wenn sie effektvoll in Szene gesetzt wird. Viel Brimborium – aber Erkenntnisse gibt es nur in homöopathischen Dosen.
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