Bibliotheken statt Profite

Eine Übergewinnsteuer macht nur Sinn, wenn sie schnell kommt, stellt die Linksfraktion fest

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die öffentliche Hand braucht Geld«, sagt Steffen Zillich, parlamentarischer Geschäftsführer und haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus am Montagabend. Der Satz mag Allgemeingültigkeit besitzen, doch wird er an diesem Abend mit Blick auf Inflation und explodierende Strom- und Heizkosten mit besonderer Dringlichkeit geäußert.

»Es besteht nicht nur ein sozialer Ausgleichsbedarf, weil Menschen in ihren Lebensbedingungen bedroht sind, sondern auch ein erheblicher Investitionsbedarf, um die Folgen der Krise abfedern zu können«, so Zillich weiter. Wo soll das Geld dafür herkommen? Die Linksfraktion diskutiert aus diesem Grund die Möglichkeit der Erhebung einer Übergewinnsteuer für Strom-, Gas-, und Ölkonzerne aus Berliner Perspektive.

»Die Übergewinnsteuer ist keine Erfindung von Spinnern und Kommunisten, sondern ist in Kriegs-, und Nachkriegszeiten von Ländern wie England, Frankreich und den USA gemacht worden«, erklärt dazu Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne), der an der Veranstaltung der Linksfraktion teilnimmt. In anderen europäischen Ländern wie Italien werde sie bereits umgesetzt, sagt Wesener. Er bedauert, dass die gemeinsame Bundesratsinitiative von Bremen und Berlin im Juni zu dem Thema keine Mehrheit gefunden habe. Stattdessen komme jetzt aber Druck aus der Europäischen Union: Die EU-Kommission hat die Verordnung einer Übergewinnsteuer vorgeschlagen, welche dann für die EU-Mitgliedstaaten rechtlich bindend wäre. »Am Freitag treffen sich die Energieministerinnen und Energieminister der Union und ich könnte mir vorstellen, dass die EU-Kommission versucht, diesen Vorschlag schon in gemeinsames Handeln zu überführen«, so Finanzsenator Wesener.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht sowohl einen Preisdeckel für Strompreise als auch eine Übergewinnsteuer vor, berichtet dazu Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Er hat im Rahmen eines Projekts der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Juli die Studie »Kriegsgewinne besteuern. Ein Beitrag zur Debatte um Übergewinnsteuern« erarbeitet. Trautvetter ist sich sicher, dass es jetzt schnell gehen muss mit den Beschlüssen. »Die Konzerne haben bereits zu den deutlich höheren Preisen verkauft, bei den Verbraucher*innen kommt dieser Preis jetzt erst ab Herbst an«, so Trautvetter. Eine Besteuerung der Übergewinne müsste noch in diesem Jahr beschlossen werden, damit die entsprechenden Gewinne aus dem laufenden Jahr überhaupt noch besteuert werden können. Im nächsten Jahr wäre das bereits nicht mehr möglich.

Für Berlin würde die Einführung einer Übergewinnsteuer bedeuten, dass Entlastungen zugunsten der Menschen, die am wenigsten Einkommen haben und am meisten durch explodierende Preise betroffen sind, besser finanzierbar sind. Die Linke-Sozialsenatorin Katja Kipping stellt auf der Diskussionsveranstaltung einen Teil des Entlastungspaketes vor, mit dem das Land die Maßnahmen des Bundes ergänzen will. Es trägt den Titel »Netzwerk der Wärme«. Im Rahmen dessen haben sich »Orte der Begegnung« wie Stadtteilzentren, sozial ausgerichtete Unternehmen, kulturelle Orte und Clubs in der Stadt zusammengeschlossen. Es gehe darum, nicht nur physische, sondern auch zwischenmenschliche Wärme mit den Stadtbewohner*innen zu teilen, so Kipping. »Wir wollen damit den sozialen Zusammenhalt stärken, aber auch Menschen, die dringend Unterstützung brauchen, den Zugang zu möglichen Hilfen erleichtern«, sagt Kipping.

Das Netzwerk soll noch erweitert werden, zum Beispiel um städtische Bibliotheken. Zwar sei es derzeit nicht möglich, an jedem dieser Orte Sozialberater*innen einzusetzen. Die dafür nötigen Fachkräfte stünden nicht zur Verfügung, bedauert Kipping. Aber durch digitale Zugänge und Informationen darüber, wo Menschen Hilfe bekommen können und Beratungen erhalten, soll trotzdem dafür gesorgt werden, dass Menschen nicht auf sich allein gestellt seien, so die Sozialsenatorin weiter.

»Im Rahmen des Entlastungpakets wollen wir natürlich auch die Orte der Begegnung selbst stärken«, erklärt Kipping und stellt finanzielle Unterstützungen der freien Träger, Initiativen, Zentren und Projekte in Aussicht, damit auch diese die Krise überstehen und sich der Aufgabe annehmen können, solidarisch miteinander durch den Winter zu kommen. Die nächsten Schritte der Sozialverwaltung, bei der das Projekt angesiedelt ist, sollen es sein, die entsprechenden Orte zu bewerben, neue Orte hinzuzugewinnen und eine digitale Karte zu entwerfen, so Kipping.

Das Berliner Entlastungspaket sieht darüber hinaus weitere Maßnahmen vor. Die Koalition hat sich bereits auf die Inhalte geeinigt, nun müssen die einzelnen Maßnahmen nach und nach umgesetzt werden. »Es lässt sich noch nicht pauschal sagen, wann das alles kommt«, so Finanzsenator Wesener zu »nd«. Geplant sind neben dem schon beschlossenen Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel ein Härtefallfonds, die Unterstützung der öffentlichen Infrastruktur und ein Kündigungsmoratorium für Mieter*innen.

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