Die Schönheit der Bescheidenheit

Plattenbau. Die CD der Woche: »When The Wind Forgets Your Name« von Built to Spill

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Gibt’s denn so was? Eine alte Band, die immer wieder klingt wie neu?!
Gibt’s denn so was? Eine alte Band, die immer wieder klingt wie neu?!

Built to Spill gehören zu den US-Indie-Legenden der 90er, die immer weitergemacht haben. Es braucht also auch keine Reunion, anders als im Fall von Pavement und Dinosaur Jr. Die Band um Gitarrist und Sänger Doug Martsch war irgendwie immer da, wenn auch in konstant wechselnden Besetzungen. Immer – seit 1994, dem Jahr, in dem das den Bandsound definierende Album »There’s Nothing Wrong With Love« erschien. Immer heißt also: für Hörer*innen, die um 1980 herum geboren sind. Zumindest Ältere werden sich bei Martschs Gesang vor allem an Neil Young erinnert haben: eine zarte und trotzdem sehr präsente Stimme.

Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter: dasND.de/plattenbau

Das 1997 erschienene »Perfect From Now On« ist das nach wie vor rundeste Built-to-Spill-Album. Lange, bis an die acht Minuten lange Songs, die einen ganzen Schwall an Melodien über Hörerin und Hörer ausschütten.

In ihrer Fähigkeit, wunderschöne Gitarrenlinien dutzendfach rauszuhauen, sind Built to Spill, wenn man nur an zeitgenössische Bands denkt, eigentlich nur mit den ähnlich konstanten, aber quantitativ produktiveren Guided by Voices vergleichbar. Und wenn man schon mal anfängt mit den Referenzen: In den Songs von Doug Martsch fließen das Gitarrenspiel Neil Youngs, die Melodieseligkeit der Beatles und verhaltene psychedelische Wände der Hüsker-Dü-Schule zusammen. Doug Martsch ist zusammen mit J Mascis von Dinosaur Jr. einer der originellsten und eigensinnigsten Gitarristen seiner Generation.

Das neue Album »When The Wind Forgets Your Name« macht genauso weiter: Rock, der sich für Testosteron-Ästhetik so gar nicht interessiert, aber auch die indietypischen Sensibilitäts- und Deepness-Rituale und -Simulationen vermeidet. Die Songs auf »When The Wind Forgets Your Name« klingen, als seien sie beim ersten Spielen komponiert worden.

Auch die momentane Besetzung – ein Trio mit Melanie Radford am Bass und Teresa Esguerra am Schlagzeug – realisiert geradezu schlafwandelnd eine der größten Qualitäten von Built to Spill: die Fähigkeit, so zusammenzuspielen, dass die Musik einen absorbiert, ohne dass sie einen dazu niederdrücken müsste.

Das Schöne am Sound von Built to Spill ist nicht zuletzt seine Einfachheit und seine, wenn man so will, Bescheidenheit. »When The Wind Forgets Your Name« ist eine der schönsten und unprätentiösesten Indie-Platten der letzten Zeit, mindestens seit dem letzten regulären Built-to-Spill-Album, »Untethered Moon«. Und das ist ja auch schon wieder sieben Jahre her. Die Musik, die Martsch schreibt, will einfach nur gute Musik sein und darüber hinaus nichts bedeuten.

Songs wie »Understood«, »Elements« oder »Spiderweb« oder »Alright« zum Beispiel spenden reichlich Trost, die Gitarren umfangen Hörerin und Hörer sanft, und was hier hinter der vorgeblichen Simplizität an Details verborgen ist, realisiert man erst beim dritten oder vierten Hören. Zum Beispiel die Orgeln in »Elements« oder »Alright«.

Das letzte Stück, »Comes a Day«, bringt es dann doch wieder auf über acht Minuten und baut einen bezaubernd harmonischen Wall of Sound auf. Und immer wieder das Gefühl, Doug Martsch wolle mit seiner Gitarre die Welt umarmen.

Built to Spill: »When The Wind Forgets Your Name« (Sub Pop/Cargo)

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