Schmunzler im Ägyptischen Museum

Was man sich von der Berliner Ausstellung »Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie« merkt

  • Christian Y. Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Ohne Smartphones und Lokomotiven: Die Mitglieder der Expedition auf einem Aquarell von Johann Jakob Frey und Max Weidenbach, 1842
Ohne Smartphones und Lokomotiven: Die Mitglieder der Expedition auf einem Aquarell von Johann Jakob Frey und Max Weidenbach, 1842

Neulich, beim Presserundgang zur neuen Sonderausstellung »Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842–1845« im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel. Sie hat die preußische Expedition zum Thema, die unter der Leitung des Ägyptologen Richard Lepsius stattgefunden hat. Die Ausbeute war gewaltig: Über 1300 Zeichnungen, rund 7400 Abklatsche und 75 Gipsabdrücke wurden gefertigt. Ägypten war damals eine Provinz im Osmanischen Reich. Als Geschenk für den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. genehmigte der Gouverneur Mehmet Ali Pascha die Ausfuhr von 1900 antiken Objekten. Der Export war damals eigentlich schon verboten, doch er wird von Ali Pascha erlaubt, weil er das bis dahin neutrale Preußen als Verbündeten gewinnen will – im geopolitischen Poker Englands, Frankreichs und Russlands um Ägypten. In Berlin werden die geschenkten Artefakte zum wesentlichen Grundstock der Sammlung des Ägyptischen Museums, sie sind seit 1855 – mit Unterbrechungen durch Krieg und Zerstörung – im Neuen Museum beheimatet.

Durchs Ausstellungsprogramm führt Jana Helmbold-Doyé vom Ägyptischen Museum. Sie erzählt gleich zu Beginn, dass man in die Präsentation »Schmunzler« eingebaut habe, vornehmlich, um auch Jugendliche als Publikum zu gewinnen, denn – so weiß man ja – ein junger Mensch schmunzelt gern. Einer dieser Schmunzler ist eine Grafik, in der dargestellt wird, dass die Expedition zur Kommunikation 130 Briefe (visualisiert durch 21 schwarze Umschläge), aber null Smartphones (fünf weiße Smartphone-Umrisse) benutzt hat. Eine andere Grafik zeigt fünf weiße Flugzeuge, fünf weiße Trucks und fünf weiße Dampflokomotiven zum Zeichen dafür, dass diese nicht als Transportmittel benutzt wurden, weil sie einfach noch nicht da waren. Dafür waren 69 Dromedare und zehn Männer als Spezialisten dabei, aber wiederum nullkommanull Spezialistinnen (weiße Kleider), also gar keine, und das, obwohl Frauen auch 1843 schon erfunden waren.

Zu den Zahlen in den Grafiken erklärt Hembold-Doyé: »Was Sie sehen, ist nicht ausgedacht, sondern recherchiert.« Wer hätte das gedacht? Wir erfahren auch noch andere interessante Sachen. Dass die osmanische Kolonialverwaltung die Pyramiden von Gizeh (das jetzt Gisa heißt) abreißen wollte, um aus den praktischen großen Steinen einen schönen Nil-Staudamm zu bauen, was dann aber leider aus Kostengründen unterblieb. Dass die Expedition auch einen Löwen und einen Nil-Fuchs mitbrachten, die 1845 im Berliner Zoo landeten, und dass von allen zehn Spezialisten nur einer erkrankte und zwar der jüngste: der zu Expeditionsbeginn erst neunzehnjährige Zeichner Maximilian Weidenbach – an einem Magen-Darm-Infekt. Der wird auf einer Grafik durch einen stilisierten, zweifach gewundenen Darm dargestellt. Das sieht tatsächlich krank aus.

Nun mögen das nicht die wichtigsten Informationen zur Ausstellung gewesen sein. Aber es ist wahrscheinlich das, was mein seltsam gestricktes Gehirn noch in einem Jahr wird abrufen können. Außerdem werde ich eventuell behalten haben, dass Expeditionsleiter Richard Lepsius die vom Jebel Barkal, einem Berg im heutigen Sudan, nach Berlin entführte gewaltige Widderstatue, die Besucherin und Besucher am Eingang der Ausstellung begrüßt, »Der fette Hammel« nannte. Und dass man auch als Archäologin manchmal Gewissensbisse hat: »Einerseits«, so Hembold-Doyé, »erhalten wir Historisches, andererseits müssen wir aber auch immer wieder zerstören«, aber das sei nicht Schwerpunkt der Ausstellung. Wer einen eigenen Schwerpunkt setzen will: Ausstellung ansehen. Es lohnt sich. Doch, doch.

Bis 7.3., Neues Museum, Berlin

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